LeserInnenbriefe
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Die Kartoffel beißt zurück

betr.: „Deutschland, mach dich sexy!“, taz vom 3. 5. 17

Liebe Autorin, lieber Autor des Artikels zum Zustand der Kartoffeln – als linke, taz lesende, in Bayern geborene Kartoffel kann ich deinen Namen weder richtig schreiben noch aussprechen. Und selbstredend hab ich auch keinen blassen Schimmer, ob du Mann, Frau, trans, queer oder so bist.

Aber das hast du dir sicher schon gedacht – von Kartoffeln ist nix anderes zu erwarten.

Ich schreib dir aber vor allem, um dir meine größte Hochachtung auszudrücken. In diesem gruseligen Land, das du sehr plastisch beschreibst, könnte ich nicht leben. Dafür fehlt mir die Kraft. Also noch einmal meinen allergrößten Respekt dafür, dass du Kartoffelcountry so souverän ertragen kannst.

Ich würde unter und in dem von dir beschriebenen Mief zusammenbrechen und ersticken. Ich müsste aus diesem Land flüchten und in besseren Gesellschaften um Asyl bitten. Wäre ich eine Frau, die als Zeichen ihrer maximalen Emanzipation Kopftuch oder Schleier trägt, würde ich in der Türkei oder gleich in Saudi-Arabien um Schutz bitten, der mir da auch maximal gewährt würde.

Hätte ich ein Interesse daran, skrupellos auf dem Rücken meiner Mitmenschen schnell Geld zu beschaffen, würde ich vermutlich nach Russland oder China auswandern und dann auch sinnlos Häuser und Autos kaufen und mit verachtendem Bedauern auf die dummen Kartoffeln herabsehen.

Und auch darum beneide ich dich: Wie du frisch und klar rassistisch über die Kartoffeln herziehst und das in der taz auch darfst, ohne dass du als rassistisch und Fan von AfD und Sarrazin dargestellt wirst – dieses Privileg haben nur wenige. Kartoffel-Linke müssen sich da jedes Wort und jeden Satz zweimal überlegen, wollen sie nicht vom Bannstrahl der Besserwisser gelähmt werden. JOHANNES HAUENSTEIN, Berlin

Diese Sch…störungen

betr.: „Laktoseintoleranz, schwuler Freund, Angststörung. Check!“, taz vom 28. 4. 17

Sehr geehrte Frau Seyboldt, ich weiß ja, dass ich Ihnen nicht beispringen muss, weil Sie – jedenfalls in Ihren Texten – sehr selbstbewusst mit Angststörung und Depression umgehen. Und ich bewundere Ihre offene und öffentliche Auseinandersetzung mit diesen Sch…störungen. Bitte weitermachen! Die von Ihnen beschriebene Reaktion auf Ihr Buchthema kann mehrerlei bedeuten: Die glänzende Oberfläche dient nur einer perfekten Hohlraumversiegelung; Angst davor, irgendwann selbst betroffen zu sein, oder die Ahnung, dass man es vielleicht schon längst ist. Ob die Zahl seelischer Krankheiten nun zunimmt oder nur besser diagnostiziert wird, weiß ich nicht. Was ich aber stark vermute ist, dass sie immer auch Reaktionen auf Bedingungen sind, unter denen wir leben müssen. So viel zumindest ist mir als Betroffener im Laufe der Jahre klar geworden. Also, noch einmal mein Appell: Bitte weiterschreiben! URSULA FUCHS, Essen

Geben wir ihr die Chance!

betr.: „Mit dem Gestus der Widerstandskämpferin“, taz vom 3. 5. 17

Mei, die von der Leyen, so eine Schmierenkomödiantin! Sagt einfach ihre US-Reise ab wegen so einem Skandälchen. Klar, das hat mit Politik nichts zu tun, das ist Hollywood pur. Bizarrer geht’s wirklich nicht und unnötiger auch nicht. Denn wenn die von der Leyen jede Verantwortung für die aufgetauchten Missstände – in wirklich unanständiger und dummer Art und Weise! – bei Untergebenen abzuladen versucht, dann glauben wir’s ihr auch nicht, dass sie sich deswegen so einen Kopf macht, dass sie nicht mehr reisefähig ist, gell? Ironie beiseite, was sich der Verteidigungsministerin hier in ihrer Truppe innerhalb kurzer Zeit offenbart hat, von sexueller Nötigung und Demütigung von Untergebenen bis hin zu rechtsextremen Umtrieben, vielleicht sogar organisierten Netzwerken, hätte wohl auch so manchen viel länger gedienten „Haudegen“ aus dem Konzept gebracht; und die Ministerin weiß bestimmt erheblich mehr als wir Außenstehende. Da wäre Frau Gaus aus meiner Sicht gut beraten gewesen, etwas weniger vorschnell zu urteilen und nicht gleich den Stab über die Ministerin zu brechen. Warten wir ab, was bei diesem Skandal noch an ­Üblem herauskommt und ob Frau von der Leyen es zum Besseren wenden kann. Geben wir ihr die Chance!

FRIEDRICH HELM, Hamburg

Macht und Mandate

betr.: „Bloß cool bleiben“, taz vom 4. 5. 17

Die Grünen bewegen sich mutig in Richtung Fünfprozenthürde. Noch scheint die Aufgabe unklar: Darüber hinweg oder darunter her. Als politischer Mensch sage ich da: Alles richtig gemacht. Großkotzig in Zeiten von Rot-Grün an der Agenda 2010 und den Jahrzehnte später eintretenden Folgen mitgebaut. Als hochspezialisierte Themenpartei in Bereiche eingedrungen, die die Basis nicht vertritt und die typische Grünwähler nicht akzeptieren. Paritätische Besetzung von Führungspositionen mit dem Begriff „gilt als gesetzt“ deklarieren (Göring-Eckardt). So tun, als ob es außer Schwätzern (Özdemir), Labertaschen (Habeck) und Oberschlau-Ökos (Hofreiter) keine weiteren qualifizierten BewerberInnen um Spitzenämter gäbe. Und in Bundesländern mitregieren, ohne dass das irgend jemandem positiv – geschweige denn „grün“ – auffällt. Ausgenommen in Baden-Württemberg – vielleicht. Die grünen Werte und Themen sind bei den professionellen Polit-Grünen anscheinend weggekippt – zugunsten von Macht und Mandaten. WOLFGANG SIEDLER, Berlin