»ALS FRAU NICHT MÄNNER KOPIEREN«

VON SISSI PITZER Früher standen Frauen nur vor der Kamera, heute managen sie Programme: Katja Hofem, Martina Rutenbeck, Simone Emmelius

Auf dem Bildschirm sind sie als Moderatorinnen oft zu sehen, hinter den Kulissen war Fernsehen in Deutschland lange Zeit fest in Männerhand. Doch weitgehend unbemerkt sind bemerkenswerte Frauen ins Management gezogen. „Es war ein kleiner Kulturschock.“ Katja Hofem, 42, nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn sie an ihren Wechsel vor drei Jahren vom US-Sender Discovery zum deutschen Medienunternehmen ProSiebenSat.1 zurückdenkt. Dessen Führungsebene war komplett männlich besetzt; noch nie hatte es bei Pro Sieben, Sat.1 oder Kabel 1 einen weiblichen Senderchef oder gar eine Frau im Vorstand gegeben. Inzwischen hat sich das verändert: Katja Hofem ist Geschäftsführerin des Frauensenders sixx, den sie innerhalb von nur sechs Monaten aufgebaut hat, und in den Vorstand ist jetzt mit Heidi Stopper die erste Frau eingezogen, zuständig für den Bereich, der in Konzernen am ehesten weiblich besetzt wird, Human Resources: sprich Personal.

Bei Discovery ist das Thema Frauen in Führungspositionen keines mehr. „Das ist bei den Amerikanern durch“, sagt Hofem. Discovery Deutschland, wo sie zuvor mit DMAX einen Männersender etabliert hatte, hat mit Susanne Aigner-Drews eine Frau an der Spitze.

Lange Haare abgeschnitten

Bei den Männern von ProSiebenSat.1 lief Hofem mit neuen Ideen erst einmal gegen eine Wand. „Es gibt dort Netzwerke, die schon seit 20 Jahren funktionieren.“ Sie versucht trotzdem, ihren eigenen Führungsstil durchzuziehen, mit Offenheit, Transparenz und Angstfreiheit. „Mein Team steht hinter mir“, sagt sie heute zufrieden, und mit dem schnellen Erfolg von sixx kam ihr auch von oben die Anerkennung.

Dass dieses Programm als „Girlie-Sender“ belächelt wird, ficht sie nicht an. Viele US-Erfolgsserien wie „Grey’s Anatomy“ laufen hier. Die Senderchefin setzt aber eigene Akzente: mit dem Brustkrebs-Tag etwa – „das gibt es bei keinem anderen deutschen Sender!“ Am internationalen Frauentag 2013 wird sie eine preisgekrönte Dokumentation zum Thema Frauenrechte zeigen und immer wieder anspruchsvollere Serien wie „Pan Am“ im Programm platzieren.

„Mit ist es wichtig, als Frau nicht die Männer zu kopieren“, sagt die blonde Frau, „sondern authentisch zu sein.“ Das war nicht immer so. Auf ihrem Karriereweg, der bei RTL2 begonnen hatte, war sie zeitweise so verunsichert, dass sie ihre langen Haare abgeschnitten, ihren femininen Kleidungsstil verleugnet und sich in schwarze Hosenanzüge gezwängt hat. „Irgendwann hat es dann click gemacht. Ich habe mich gefragt: Was mache ich hier eigentlich?“

An die Hosenanzüge hat sich Martina Rutenbeck gewöhnt. Sie bewegt sich seit über 20 Jahren im Bereich Satelliten- und Kabelfernsehen auf männlichem Terrain. Erst bei Astra, dann bei einer Telekom-Tochter und seit 2004 bei Eutelsat Deutschland. Dort wurde sie als Geschäftsführerin selbstredend von einem Mann engagiert – der Monate später entgeistert feststellte, dass sie gar keine Diplomingenieurin sei.

Nein, Martina Rutenbeck hat Soziologie studiert und landete über eine PR-Agentur Ende der 80er Jahre beim Luxemburger Unternehmen Astra: „Ich wollte wissen, wie so ein Satellit funktioniert, wenn die TV-Signale 72.000 Kilometer durchs All geschickt werden, um jede Hallig und jedes Alpental zu versorgen.“ Doch bei den Netzbetreibern und Fachhändlern war sie als „Miss Astra“ die absolute Ausnahme. Bei Veranstaltungen trauten sich die Männer keine technischen Fragen zu stellen, sei es, weil sie sich keine Blöße geben wollten, sei es, weil sie Rutenbeck die Antwort nicht zutrauten.

Bei Eutelsat in Deutschland hat sie aktiv mehr Frauen ins Team geholt, „sonst entspricht die Mischung einfach nicht der Realität“. Vorbilder hält Rutenbeck für wichtig. Ihr Ziel ist es, Frauen in technisch orientierten Bereichen eine Chance zu geben – obwohl sich meist Männer bewerben, wenn es um Settopboxen oder Verschlüsselungssysteme geht. Im Marketing, Controlling, Produktmanagement ist es leichter, Frauen zu rekrutieren. Die 51-Jährige hat Halbtagsstellen geschaffen und erwartet auch von den Vätern, dass sie vom Homeoffice aus arbeiten, wenn ein Kind krank ist. „Männer sollen Väter sein und nicht nur als Spotlight im Kinderzimmer auftauchen“, sagt die Managerin, die selbst keine Kinder hat.

Halbzeit gegen volle Stelle

Beim ZDF sei das Thema Vereinbarkeit von Familie und Job gut gelöst, findet Simone Emmelius, die den erfolgreichen Digitalkanal zdf_neo leitet. Ganztagskindergarten, Krippe, Ferienprogramm auf dem Lerchenberg – auch vor über 20 Jahren, als ihre beiden Söhne klein waren, gab es schon viel Unterstützung. Heute versucht sie als Chefin, im Team eine Atmosphäre der Solidarität zu schaffen, gerade für junge Eltern.

Obwohl ihre Kinder im Abstand von nur 15 Monaten geboren wurden, tauschte Emmelius ihre Halbtagsstelle nach kurzer Zeit wieder gegen Vollzeit ein: „Das ist doch Selbstausbeutung, nur halb bezahlt zu werden, aber fast volle Leistung bringen!“ Mutter in Vollzeit, dieses Modell funktioniere in Deutschland allerdings nur, wenn der Partner mitziehe. Und man sich eine Infrastruktur aufbaue, aus Tagesmutter, Großeltern, Miteltern. In der für Unterhaltung zuständigen Programmdirektion, Emmelius’ Heimat, ist die Hauptabteilungsleiterebene inzwischen ziemlich ausgewogen besetzt. Dagegen haben im zweiten großen ZDF-Programmbereich, in der Chefredaktion, wo die politischen Informationsprogramme verantwortet werden, Männer das Sagen. Bettina Schausten, Leiterin des Hauptstadtbüros, ist die einzige Frau in den beiden oberen Führungsebenen.

Die Quote? Die Zeit sei dafür reif, findet Eutelsat-Managerin Rutenbeck. Anders könnten Firmen nicht dazu bewegt werden, Frauen aufsteigen zu lassen. Emmelius (ZDF) hält mehr Frauen vorteilhaft fürs Geschäft. Für sixx-Chefin Katja Hofem greift die Quotendiskussion zu kurz: Die Strukturen müssten sich ändern, Karrierewege seien auf Männer ausgelegt, die auf Gehalt und Dienstwagen schauen, nicht auf Work-Life-Balance. „Viele Frauen steigen irgendwann aus, weil sie auf solch männlich definierte Karrieren keinen Bock mehr haben.“

Sissi Pitzer, 55, Medienjournalistin, hat keine Lust mehr auf reine Männerrunden. „Man kann ja auch keine Sendung machen über die Koalitionsregierung, wenn die CDU nicht kommt. Wieso kann man dann über Beschneidung diskutieren, wenn die weibliche Sicht fehlt?“