: Gott & Teufel
Dokumentarfilm In der Reihe FilmPolska geht es häufig um Konservatismus und Katholizismus
Dass ihm nichts einfallen würde, er nicht originell sei, das muss sich Marcin Koszałka in seinem halbstündigen Dokumentarfilm „Takiego pięknego syna urodziłam/Such a Nice Boy I Gave Birth To“ (1999) in einem fort anhören. Der junge Mann besucht eine Filmhochschule (nachdem er bereits andere Studiengänge zum Unmut der Familie abgebrochen hat) und beschließt, das cholerische Stakkato in der elterlichen Wohnung mitzufilmen. Schön anzuhören ist das nicht, wenn auch gelegentlich durchaus amüsant – Mutter Koszałka weiß ausgefallen zu beschimpfen.
„Such a Nice Boy“ ist der Auftakt einer Dokumentarfilmreihe, die sich oft an jenen Themen abarbeiten soll, die hier schon aufblitzen: possessive (mitunter auch inzestuöse) Verhältnisse zwischen Müttern und Söhnen, Statusbewusstsein innerhalb der polnischen Gesellschaft, strenger Katholizismus.
Marcin Koszałka ist eine der spannendsten Figuren der diesjährigen FilmPolska-Ausgabe, die von morgen an bis 10. Mai läuft. Eine andere ist der jüngst verstorbene Regisseur Andrzej Wajda, dem das Festival eine eigene Hommage ausrichtet. Das Kino Arsenal zeigt insgesamt sechs Arbeiten Koszałkas, angefangen von „Such a Nice Boy“ über „Deklaracja nieśmiertelności/Unsterblichkeitsdeklaration“ (2010), einem Porträt mit und über Kletterlegende Piotr Korczak, bis „Do bólu/Bis zur Schmerzgrenze“ (2008), welcher ein seltsames Dreieck, bestehend aus einem 53-jährigen Psychiater, dessen Mutter und seiner neuen Freundin (der ersten seit vielen Jahren), offenbart. Wie bei einer Besessenen ergießen sich die Tiraden der Mutter auch hier, sodass man unweigerlich an einen anderen Film des FilmPolska-Programms erinnert wird: „Walka z szatanem/The Battle with Satan“ (2015) von Konrad Szołajski. Auch das ein Dokumentarfilm, der sich mit exorzistischen Praktiken beschäftigt. In „Walka z szatanem“ können gleich mehrere dieser Teufelsaustreiber bei der Arbeit beobachtet werden.
Während der endlich der Einsamkeit enthobene Psychiater in „Do bólu“ dennoch unermüdlich an seinen Jesusbildern malt und bei Konrad Szołajski jene verdächtigen Krächzgeräusche zu vernehmen sind, die natürlich nur vom Teufel herstammen können, muss sich die 14-jährige Ola in Anna Zameckas hervorragendem Dokumentarfilm „Kommunion“ (Kinostart4. Mai) mit ganz anderen Problemen herumschlagen: Der jüngere Bruder soll unbeschadet die Kommunion empfangen, was angesichts zerbrochener Familienverhältnisse und gewissen Eigenheiten des Geschwisters keine Selbstverständlichkeit darstellt.
Zumindest zwei Spielfilme von FilmPolska nehmen hingegen eine gänzlich andere Perspektive ein, indem sie ihren Blick auf das junge, urbane Polen richten. Interessanterweise sind beide Filme um eine Männlichkeitskrise herum gebaut. „Kamper“ (2016) von Łukasz Grzegorzek zeigt das Zusammenleben eines sympathischen Paares in einer polnischen Großstadt, in das sich nach und nach Unzufriedenheit und Erlahmung eingeschlichen haben. Als sie ein Verhältnis mit einem prominenten Küchenchef beginnt und er beim Spanischunterricht mit einer Lehrerin anbandelt, droht die Beschaulichkeit zusammenzubrechen. Anders unerträglich und dabei viel weniger nett funktioniert „Wszystkie nieprzespane noce/All These Sleepless Nights“ (2016) von Michal Marczak, in welchem sich zwei Männer Anfang zwanzig monatelang durch ein cooles wie sinnentleertes Nachtleben schleppen. Einen Gott gibt es hier zwar nicht und auch keinen Teufel, dafür aber auch sonst nicht mehr allzu viel.
Carolin Weidner
FilmPolska, 4. bis 10. Mai, verschiedene Kinos, www.filmpolska.de
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