: Roh und schön
Gallery Weekend Daniel Marzonas zweite Einzelausstellung mit Arbeiten von Bernd Lohaus ist eine willkommene Einladung, im Galerientreiben des Wochenendes kurz Pause zu machen und dem Glamour des Schlichten und Stillen zu erliegen
Innen in der Galerie sieht es gerade so aus wie draußen auf der Baustelle der taz: überall Bauholz und an den Wänden Pläne und Konstruktionszeichnungen. So scheint es jedenfalls auf den ersten Blick. Auf den zweiten beginnt man unwillkürlich das Holz zu bewundern. Obwohl in rohem unbehandelten Zustand, schaut es verdammt schön aus. Das ist kein Bauholz. Oder es sollte zumindest keines sein.
Das Holz liegt in Form von Brettern sorgfältig aufgestapelt im Raum oder auch als schwere Balken scheinbar nachlässig zum Haufen übereinandergeworfen. Gleich wenn man reinkommt, stehen linker Hand die Bohlen senkrecht an der Wand. „Klänge ...“ steht mit Kreide auf das Holz geschrieben. Die Installation wirkt, als sei sie in situ entstanden, so exakt passen die 230 x 476 x 20 Zentimeter Holz in die Wand.
Daniel Marzona zeigt zum Gallery Weekend, das heute Abend eröffnet, die zweite Einzelausstellung mit Arbeiten von Bernd Lohaus (1940–2010). Damit gelingt ihm ein spannendes Statement. Die Schau ist gewohnt zurückhaltend und still, entsprechend dem Programm der Galerie, mit dem Marzona das konzeptuelle Feld der Kunst beackert, Serielles, Minimalistisches, der Materialkunst Zugehöriges. Sie ist ein kluger Schachzug an einem Wochenende, an dem es hoch hergeht und eher zu laut, bei all den Eröffnungen, Performances, Talks und Dinners.
Bei näherem Betrachten allerdings sind Lohaus’ Arbeiten durchaus opulent und auf raffinierte Art und Weise glamourös. Denn der Künstler, der Anfang der 1960er Jahre bei Joseph Beuys in Düsseldorf studierte und 1969 bei Harald Szeemanns epochemachender Ausstellung „When Attitudes Become Form“ debütierte, weiß die dem Material − sei es Holz, Seil, Stein oder Bronze − inhärenten Qualitäten auszuspielen.
Die jetzt gezeigten Arbeiten aus den Jahren 1980 bis 1992 sind etwa aus Azobe, dem härtesten Holz Westafrikas. Und diese Härte strahlt das Holz auch aus, so wie ihm Lohaus in seinen simplen, elementaren Skulpturen ausdrucksstark Geltung verschafft, wobei er mit Kreide hin und wieder Sprache in das Werk einschreibt, poetische Anrufungen, wie sie auch die Blätter an der Wand zeigen.
Nein, sie sind keine Konstruktionszeichnungen. Obwohl, da steht dann „Equilibre“ auf dem elfenbeinfarbenen Papier, über der Linie und neben dem braunen Pakettape aus Plastik. Das ist schon eine Konstruktion, gleich mitsamt dem dazugehörigen Kommentar. Interessanterweise machen gerade die superreduzierten, flachen Papierarbeiten an der Wand deutlich, wie stark Lohaus’ bildhauerische Arbeit architektonisch funktioniert.
Derart reflektiert er die Ansprüche des Materials, bei dem es sich ja gern mal um angeschwemmte und ausgediente Holzbalken und -bretter handelt, um alte Seile, gebrauchtes Material, oft genug vom Bauen unter und über der Erde.
Das Werk von Bernd Lohaus, das vor dem Hintergrund von Fluxus, Arte Povera und Sozialer Plastik entstand, ist gewissermaßen auch ein Archiv anonymer, vom Objekt mitgelieferter menschlicher Schicksale und Geschichten. Und jede Skulptur ist damit ein Denkmal. Übrigens nach Ansicht des Architekten Adolf Loos die einzige konstruktive Arbeit des Menschen, die sich Kunst nennen darf.
Brigitte Werneburg
Bis 17. Juni, Galerie Daniel Marzona, Eröffnung Freitag, 28. April
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