: Der bewaffnete Proletarier
Ist er bloß ein gewöhnlicher Mörder oder das Opfer einer rachsüchtigen Justiz? An Cesare Battisti, dem italienischen Schriftsteller mit terroristischer Vergangenheit, scheiden sich die Geister. Der heute 54-jährige Battisti bestreitet nicht, dass er als junger Mann Ende der Siebzigerjahre Mitglied der Proletari Armati per il Comunismo (PAC) war, der „bewaffneten Proletarier für den Kommunismus“ – einer kleinen terroristischen Gruppe, die damals im Windschatten der Roten Brigaden Banken überfiel und „Volksfeinde“ erschoss. Zwei Morde erregten besonderes Aufsehen – und hängen Battisti bis heute nach: Am 16. Februar 1979 erschossen Kommandos der PAC einen Juwelier und einen Metzger, weil die Monate vorher als Opfer von Raubüberfällen auf die Täter geschossen und sie tödlich verletzt hatten. So antworteten die PAC mit „proletarischer Selbstjustiz“ auf die „bürgerliche Selbstjustiz“.
Schon 1979, als er verhaftet wurde, war dieses erste Leben Battistis vorbei. Seiner Strafe entzog er sich 1981 durch die Flucht aus Italien. Doch in Abwesenheit wurde er wegen vier Morden, die er mal selbst ausgeführt, mal mit vorbereitet haben soll, zu „lebenslänglich“ verurteilt.
Paris, dann Mexiko und von 1990 an wieder Paris hießen die Stationen seines Exils. Unter dem Schutz der „Mitterrand-Doktrin“, die vor allem italienischen Linksterroristen Asyl gewährte, avancierte Battisti zum beachteten Übersetzer und schließlich auch Autor, Spezialfach „Noir“. Doch der italienische Staat hatte ihn nie vergessen – und unter Präsident Jacques Chirac gewährte Frankreich schließlich im Jahr 2004 Battistis Auslieferung. Eine breite Solidaritätsbewegung, getragen von Personen wie Bernard-Henry Lévy oder Gabriel García Márquez, machte sich für Battisti stark. Ihnen gilt der Schriftsteller als unschuldig Verurteilter.
Battisti war derweil vor der endgültigen Auslieferungsentscheidung der französischen Justiz nach Brasilien geflüchtet. Dort wurde er 2007 verhaftet. Doch unter Präsident Lula gewährte ihm die Regierung Anfang 2009 Asyl. Der Oberste Gerichtshof Brasiliens aber sperrte sich dagegen, dass Battisti aus der Auslieferungshaft freikam, und behielt sich die letzte Entscheidung vor. MICHAEL BRAUN