: Das dritte Versprechen des Präsidenten
Jahrelang geschah in Nigeria wenig im Kampf gegen Korruption, was der Rede wert war. Aber seit einigen Monaten wird es ernst. Jetzt untersucht die erfolgreiche Antikorruptionsbehörde auch den Präsidenten Obasanjo – auf eigenen Wunsch
AUS LAGOS HAKEEM JIMO
Auch in Nigeria kennt man Glashäuser. Und man weiß ebenfalls, dass daraus besser keine Steine fliegen sollten. Das nigerianische Nachrichtenmagazin Tell titelte in einer vergangenen Ausgabe: „Korruptionskrieg! Wie weit kann Obasanjo gehen?“ Nicht sehr weit, antwortete prompt ein Gouverneur aus dem Osten des westafrikanischen Landes. Denn Präsident Olusegun Obasanjo habe selbst keine sauberen Hände, erklärte der Gouverneur. In einer Fernsehansprache sagte der Staatschef dann, wenn irgend jemand ihm oder seine Familie Korruption nachweisen könne, solle die Person dies öffentlich machen. Das tat dann auch der Gouverneur und beschuldigte den Präsidenten in einem offenen Brief unter dem Titel: „Für die Nachwelt, uns zu richten“. Prompt ließ sich Mitte diesen Monats Obasanjo selbst von einer Antikorruptionsbehörde verhören.
Schon vor sechs Jahren, als Obasanjo die lange Herrschaft der Militärs beendete, versprach er, mit der Korruption ein für alle Mal Schluss zu machen. Aber erst in jüngster Zeit scheint es ernster damit zu werden. Mehrere hochrangige Politiker, darunter Minister, Abgeordnete und der Senatspräsident, mussten in den vergangenen Monaten ihren Hut nehmen. Auch europäische Firmen treiben mit im Korruptionssumpf. Die französische Firma Sagem soll zwei Millionen US-Dollars für den Auftrag der Personalausweisproduktion gezahlt haben. Im Juli beging der Leiter des Mercedes-Benz-Werks in Nigeria Selbstmord, nachdem Zweifel an seiner Lauterkeit aufgekommen waren.
Am spektakulärsten aber war der Fall des obersten Polizeichefs des Landes Anfang diesen Jahres. In Handschellen wurde der Oberpolizist später vor den Richter geführt. Ihm wird vorgeworfen, in drei Jahren umgerechnet rund 80 Millionen Euro veruntreut zu haben. Mitte des Monats wurde ein Gouverneur in London kurzzeitig verhaftet. Er wird in Zusammenhang mit Geldwäsche gebracht. Schon zwei anderen Gouverneuren der insgesamt 36 passierte Ähnliches.
„Durch vereinzeltes Abschießen einiger Politiker kann man diese Art von Korruption nicht bekämpfen“, sagt Gani Fawehinmi, einer der bekanntesten Bürgerrechtler Nigerias. „Was ist mit den zusätzlichen Millionen US-Dollar für Exmachthaber Babangida, als beim ersten Golfkrieg die Erdölpreise und somit Gewinne nach oben schnellten? Die Leute haben das Gefühl, dass diese Regierung es nicht ernst im Kampf gegen Korruption meint“, sagt Fawehinmi.
Die Debatte um die Golfkriegsmillionen kocht deshalb in Nigeria immer wieder hoch, weil Ibrahim Babangida erneut das höchste Amt anvisiert. Aber Obasanjo antwortet nur, dass der Untersuchungsbericht der damaligen Kommission nicht auffindbar sei. Seit einiger Zeit schon verlangt ein Abgeordneter eine Untersuchung der Vorgänge in der Ölbehörde, der Obasanjo seit sechs Jahren vorsteht.
Überall rüttelt die Korruption an den Grundfesten der nigerianischen Gesellschaft und jungen Demokratie. Mehrere Provinzregierungen befinden sich im politischen Chaos. Die Regierungspartei von Präsident Obasanjo steckt mittendrin, da sie die meisten Gouverneure stellt.
Im Anambra-Bundesstaat artete das zu einem regelrechten Clan-Krieg aus. Dahinter steckt die Ökonomisierung und Korrumpierung der Politik. Korruption als Mittel staatlicher Politik heißt es seit der Herrschaft von Exmachthaber Babangida.
Nun aber geht eine Schockwelle durch Nigerias politische Klasse. Aufgescheucht durch die Entlassungen hoher Funktionäre durch den Präsidenten, haben einige Abzocker des Regimes sogar begonnen, freiwillig Geld zurückzuzahlen. Das vermeintlich neue Klima wird begünstigt von der Anfang 2003 aufgenommenen Arbeit der „Economic and Financial Crimes Commission“, kurz EFCC. Zum ersten Mal zeigt eine nigerianische Antikorruptionsbehörde Zähne. Bis heute beschlagnahmte die Behörde mehrere hundert Millionen US-Dollar und verfolgt mehrere Dutzend Fälle vor Gericht. Es sind zumeist Vertreter der berühmt-berüchtigten Nigeria-Connection, die Betrugsbriefe in alle Welt schicken. Im Gespräch mit der taz gab EFCC-Chef Nuhu Ribadu zu, das gewisse Leute, wie zum Beispiel der Exmilitärmachthaber Ibrahim Babangida, noch politisch geschützt seien.
Mittlerweile steht Obasanjo in seiner zweiten und von der Verfassung her letzten Amtszeit. Es bleiben ihm nur noch knapp zwei Jahre für ein Vermächtnis. Drei Versprechen gab Obasanjo bei seinem Amtsantritt. Er wolle für Strom und Wasser sorgen und die Korruption zurückdrängen. Auf verlässlichen Strom und Wasser warten die Nigerianer auch nach sechs Jahren Obasanjo-Regierung. Vielleicht klappt es mit dem Korruptionskampf.