Jusos erfolgreich befriedet

SPD Auf dem Bundeskongress des Parteinachwuchses wirbt Peer Steinbrück um das Vertrauen der Jusos. Die zeigen sich teilweise reserviert, legen Kritik aber schnell ad acta

■ Nur noch 28 Prozent der Bürger würden SPD wählen, zeigt eine aktuelle Emnid-Umfrage. Vor einer Woche waren es noch 30 Prozent. Union und Grüne hingegen gewannen jeweils einen Prozentpunkt hinzu und kamen auf 39 bzw. 13 Prozent. Die FDP blieb bei 4, die Linke bei 7 und die Piraten blieben bei 5 Prozent. (rtr)

AUS MAGDEBURG ANJA MAIER

Kurz bevor Peer Steinbrück kommt, ist die Antragsdebatte festgefahren. Beim Juso-Bundeskongress in Magdeburg geht es am Samstag um Schülerpraktika, Antrag folgt auf Gegenantrag. Kaum jemand hört noch zu, die Delegierten schwätzen, der Applaus ist dünn. Dann tritt Sercan Alkaya ans Mikrofon. Der 18-jährige Bremer ist Bundeskoordinator der Juso-SchülerInnen, ihn nervt gewaltig, dass die JunggenossInnen so lahm diskutieren. „Ich hab hier mal einen Klopfer, um der Debatte wieder etwas Dynamik zu verleihen.“ Sagt’s, haut ein Fläschchen Wodka Energy aufs Pult und kippt sich den Stoff hinter die Binde. Johlen und Applaus. Magdeburg ist wieder wach.

Als wenig später der designierte Spitzenkandidat eintrifft, ist der Empfang durchwachsen. Während vor allem die Hamburger und Baden-Württemberger unter den rund 300 Delegierten frenetisch jubeln, rührt sich bei den Berlinern und den Sachsen kaum eine Hand. Steinbrück weiß, es ist kein gewogenes Publikum. Hier sitzen Leute, die noch junge Überzeugungen haben – Leute, die er für seinen Bundestagswahlkampf dringend braucht. Und manche im Saal sollen beim Sonderparteitag im Dezember für ihn stimmen.

„Ihr seid in vielen Fragen anderer Meinung als ich“, beginnt Steinbrück seine Charmeoffensive, „ein Teil von euch hat eine andere Präferenz. Wir müssen hier nichts inszenieren.“ Wenn ihm der Wind ins Gesicht wehe, wehe er auch gegen die Partei „und euch als Jugendorganisation“. Aber er wäre dankbar, wenn sich nun alle den „wirklich dringenden Problemen und politischen Themen in dieser Republik zuwenden könnten“. Dann listet er jene Bereiche auf, die die Sozialdemokraten in ihrem „Gerechtigkeitswahlkampf“ angehen wollen. Arbeitsmarkpolitik, Bildung, Steuern, Geschlechtergerechtigkeit, kommunale Finanzen, Europa – es ist eine jener Reden, die Steinbrück dieser Tage landauf, landab hält.

Erst am Ende geht er noch einmal auf die Zweifel der Parteijugend an ihm ein. Viele würden sich fragen: „Ist das der richtige Kanzlerkandidat? Nun, so wie es aussieht, gibt es einen entsprechenden Vorschlag“, sagt er mokant. Also käme es jetzt darauf an, in den Wahlkampfmodus zu kommen. Schließlich: „Ich bin auf euch angewiesen.“ Der Applaus ist ordentlich. Nicht überwältigend. Aber reicht das für die Jusos? Es sieht ganz so aus. Länder- und flügelübergreifend changieren die Gegenreden zwischen Unterwerfung und nur leisen Zweifeln. Von den Jusos jedenfalls darf sich der Kandidat überwiegend Unterstützung erwarten. Am Morgen hatte Parteichef Sigmar Gabriel gesprochen, unter dem nicht eben griffigen Titel „Für ein neues soziales Gleichgewicht in Deutschland! Für ein gerechtes Europa!“. Gabriel machte Tagespolitik. Vor dem Hintergrund, dass am Freitag im Bundestag die Abstimmung über das Steuerabkommen mit der Schweiz ansteht, drosch er kräftig auf die dortigen Banken ein. „Was die machen, ist eine bandenmäßige Steuerhinterziehung“, sagte er. Deutschland brauche für die Ermittlungen eine spezielle Staatsanwaltschaft oder den Generalbundesanwalt. Wegen der fehlenden Zustimmung der SPD wird im Bundesrat mit einem Aus für das von Schwarz-Gelb vorgelegte Gesetz gerechnet.

„Ich bin auf euch angewiesen“, sprach der SPD-Kanzlerkandidat und ward erhört

Aber es ging auch um Peer Steinbrück. „Natürlich weiß ich, dass die Partei und vielleicht auch welche bei euch verunsichert sind mit dieser Nebentätigkeitsdebatte“, sagte Gabriel. Aber Steinbrück sei der richtige Kandidat: Die SPD brauche jemanden, der „seine ganze Kraft in die Bändigung der Finanzmärkte und in deren Besteuerung investiert“. Steinbrück habe seit Jahren glaubwürdig dafür gekämpft.

Vor seiner Rede war der Parteivorsitzende von Journalisten gefragt worden, wie hoch sein Redehonorar sei. Er habe denen geantwortet, „bei den Jungsozialisten sei es schon ein großes Honorar, ein paar Minuten als Parteivorsitzender reden zu dürfen“, sagte Gabriel. Und Manuela Schwesig, die stellvertretende Parteivorsitzende, erklärte, sie habe gerade noch „ein Käffchen“ bekommen, das reiche ihr. Dass das Spitzenpersonal der SPD sich derlei Zudringlichkeiten gefallen lassen muss – das haben sie ihrem designierten Spitzenkandidaten zu verdanken.

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