Berlinmusik
: Autonome Klänge

Das Wort „Maschinenmusik“ klingt in manchen Ohren nach wie vor abwertend. Sind es doch die Geräte, denen hier gegenüber den Menschen der Vorzug gegeben wird. Ist zwar in weiten Teilen des Musikgeschäfts längst selbstverständlich, erzielt aber weiter abschreckende Wirkung. „Generative Musik“, ein von Ambient-Pionier Brian Eno eingeführter Begriff, müsste da als der Leibhaftige schlechthin erscheinen: Musik von Maschinen, die nicht nur selbst spielen, sondern ihr Material eigenständig weiterentwickeln. Also neben den Spielern die Komponisten gleich mit abschaffen.

Ganz so einfach ist es allerdings nicht. Bisher jedenfalls sind immer noch Menschen dafür zuständig, für einen minimalen Input an Klängen und Tönen zu sorgen, mit denen die Geräte dann weiterarbeiten. Und dieses Minimum ist bis heute spielentscheidend. Bei der in Berlin lebenden italienischen Musikerin Caterina Bar­bieri etwa. Auf ihrem zweites Soloalbum „Patterns of Consciousness“ benutzt sie einige wenige Synthesizertöne, die sich nach bestimmten Regeln fortspinnen und so aus kurzen Melodieansätzen komplexe mehrstimmige Gebilde entstehen lassen.

Nach menschenfernen Automatiesierungshymnen klingt das nicht, eher fühlt man sich an die gute alte Minimal Music erinnert, die in den siebziger Jahren allerdings den Ausbeutungs­aspekt aufwies, den ausführenden Musikern unmenschliche, nicht enden wollende repetitive Patterns zuzumuten, bei denen noch der kleinste Fehler zur peinlichen Störung der Darbietung geriet. Insofern lässt sich den elektronischen Verfahren allemal auch ein humaner Aspekt abgewinnen. Und Langeweile kommt bei den bewusstseinsverändernden Epen Barbieris kaum auf. Die Wirkung ist, bei günstiger Gemütslage, maximal.

Automatisierte Verfahren mit modularen Synthesizern nutzt auch der Berliner Produzent und Berghain-Resident-DJ Tobias Freund alias Tobias. auf seinem Album „Eyes in the Center“. Der wohl einzige Tobias mit Punkt im Namen bewegt sich konsequent weiter im Randgebiet von Clubmusik und elektronischen Entdeckungsreisen. Beat oder nicht ist dabei nicht so sehr die Frage, vielmehr erkundet er unterschiedlichste Formen von Dichte mit offenen Strukturen. Auch bei ihm finden die Instrumente dank kluger Auswahl an Zutaten zu Mustern, die sich selbst zu schaffen scheinen. Man hört und staunt. Tim Caspar Boehme

Caterina Barbieri: „Patterns of Consciousness“ (Important)

Tobias.: „Eyes in the Center“ (Ostgut Ton)