Simone Schmollack über das Gesetz zu sogenannten Kinderehen
: Auf den Einzelfall kommt es an

Es gibt durchaus Gründe für Frühehen – auch wenn wir diese kaum akzeptieren

Der richtige Umgang mit Ehen von Minderjährigen ist komplizierter, als es auf den ersten Blick scheint. Grundsätzlich ist es so, dass unter 18-Jährige nicht heiraten dürfen, damit sie in Ruhe zur Schule gehen oder eine Ausbildung machen können. In Deutschland sind Ehegesuche junger Menschen ohnehin selten.

Der Gesetzentwurf von Justizminister Heiko Maaszielt auf junge Flüchtende ab, die schon verheiratet nach Deutschland kommen. Wenige von ihnen haben bereits Kinder. Ist es richtig, solche Verbindungen zu lösen, die Ehen aufzuheben? Ja, würde man meinen, wenn die Frau sehr jung ist und der Mann viel älter als sie. Oder wenn zwei verunsicherte Jugendliche vor dem Familien­gericht sitzen und erkennen lassen, dass sie nichts mit­einander anfangen können. Dann sollte man von einer Zwangsehe ausgehen – und diese auflösen.

Aber es gibt Fälle, die nicht so eindeutig sind. Etwa den des jungen syrischen Paares, das 2015 verheiratet nach Deutschland kam. Damals war sie 15, er 21 Jahre alt. Das Paar wurde gegen seinen Willen getrennt, der Fall beschäftigte mehrere Gerichte.

Was folgt daraus? Bevor sogenannte Kinderehen pauschal annulliert werden, wie es das Gesetz vorsieht, tut ein genauer Blick auf sie not – ob die nun geplante Einzelfallprüfung ausreicht, kann erst der Realitätstest zeigen. Es gibt durchaus Gründe für Frühehen – auch wenn wir diese nach unseren Maßstäben kaum akzeptieren. So gibt es Mädchen, die von der Familie auf die Flucht geschickt werden. Mit einem Mann an der Seite genießen sie Schutz, unter anderem vor sexuellen Übergriffen. Schwangere Minderjährige können sich des Beistands der ­Familie sicher sein.

Ganz lösen wird das Gesetz das Problem der Minderjährigenehen ohnehin nicht. Von den wirklich kritischen Fällen dürften die Behörden künftig noch seltener erfahren. Die Betroffenen werden ihre Heirat schlicht nicht öffentlich machen und sich so dem deutschen Recht entziehen.

Inland