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In den Fransen der Zivilisation

RUMKOMMEN Dennis Gastmann hat "unentdeckte Orte" bereist und daraus ein leichtfüßiges Reportage-Buch gemacht

Wie einen besonderen Dreh finden für ein Buch mit Reisereportagen? Zumal in Zeiten, in denen das Reisen maximal demokratisiert scheint – und mancher Leser mindestens so viele Kilometer hinter sich bringt wie ein durchschnittlich ambitionierter Reporter?

Die Herausgeber von Dennis Gastmanns jüngstem Buch versuchen es so: Ausdrücklich „fern, unbekannt oder vergessen“ seien die hier bereisten Orte, heißt es im Klappentext, aber „in jedem Fall magisch“. Im Titel wiederum verspricht dieser „Atlas der unentdeckten Länder (Rowohlt Berlin, 272 S., 19,99 Euro) ein strengeres Konzept, als der langjährige ARD-Auslandsreporter es tatsächlich gemeint haben wird. Und, ganz ehrlich: Ein Ort wie die Mönchsrepublik auf dem angeblich heiligen Berg Athos, die letzte Destination in Gastmanns Buch, mag schwer zugänglich sein und das gleich in mehrfacher Hinsicht angesichts all des Archaischen (Bärtige Eremiten! Kein Zutritt für Frauen!) – aber unentdeckt, gerade auch als Objekt journalistischen Begehrens, ist dieser fromme Felsen nun wirklich nicht mehr.

Dem Vergnügen tun solche Unschärfen aber gar keinen Abbruch: Gastmann, der in der Vergangenheit schon zu Fuß die Alpen überquerte – genauer: nach Canossa wanderte, also ging –, über Mauern und Hecken der Superreichen linste oder sich „Mit 80.000 Fragen um die Welt“ hangelte, ist ein Meister leichtfüßigen Stils, der Lesende mit ganz unterschiedlichen Spezialwissensgraden zu erreichen versteht. Von diversen anderen Vertretern des relativ neuen journalistischen Trends, sich selbst 1. überhaupt mit ins Bild zu nehmen und dabei 2. möglichst naiv erscheinen zu wollen, unwissend gar – was man hoffentlich zu keiner Zeit auch wirklich war –, unterscheidet ihn wohltuend, dass er sich nicht zu schade ist zuzugeben: Doch, doch, ich habe mich informiert, ehe ich losgefahren bin. Und so begleitet ihn etwa nach „Palästina und Akhzivland“ auch ein allzu vertrautes Gefühl: „Scham. Tiefe deutsche Scham, und sie löste sich nur, weil die Welt so herrlich absurd ist.“

Dass Gastmann nun gezielt an Orten aufträte, die ihrerseits mit Wohlwollen „magisch“ genannt werden könnten – weil es sonst wenig zu sagen gäbe –, das wäre übrigens so falsch wie boshaft. ALDI

Sa, 25. 3., 20 Uhr, Nienburg, Kulturwerk; So, 26. 3., 17 Uhr, Schloss Agathenburg (bei Stade)

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