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Klare Front gegen die Nationalistin

Fünfkampf Beim TV-Duell gibt es erwartbare Töne und überraschende Allianzen. Nur mit Marine Le Pen mag niemand. Shootingstar Emmanuel Macron gibt sich professionell mittig

von Laure Bretton und Laure Equy

Halali auf Marine Le Pen! Eigentlich hatte man bei dieser in der Geschichte der 5. Republik beispiellosen TV-Debatte ein „Alle auf Macron!“ erwartet, aber es war die Kandidatin des Front National, die schnell zur Zielscheibe der ersten Attacken ihrer vier Kontrahenten wurde. Ging es doch gleich zu Beginn um die großen gesellschaftlichen Fragen innere Sicherheit, Einwanderung und Laizismus. Ganz im Sinne ihres Ende Februar vereinbarten Nichtangriffspakts sind Jean-Luc Mélenchon von der Partei der Linken, voller Verve, und der Sozialist Benoît Hamon, angestachelt durch seinen Auftritt vor 15.000 begeisterten Fans in Paris-Bercy am Sonntag, gemeinsam ins Feld gezogen. Sie sind gegen den Republikaner François Fillon geritten – vor allem, als es um die Wochenarbeitszeit ging. Ein wenig gemäßigter agierten sie in der Auseinandersetzung mit Emmanuel Macron, dem Kandidaten von En Marche.

Wenn der ehemalige Wirtschaftsminister, in den Umfragen weit oben, gleich hinter Marine Le Pen, Seitenhiebe austeilt – nach rechts ebenso wie nach links – ist er in der Summe auf Umsicht bedacht: Er stimmt ­Fillon zu, als der von einer Reform der Lehrerausbildung spricht und nickt zustimmend, als Hamon die Reduzierung der Klassenstärke fordert. Sein Credo: „Den ­Pragmatismus verteidigen, nicht die großen Prinzipien.“ Für Macron ist die Zielstellung klar: 34 Tage vor dem ersten Wahlgang geht es darum, das Spiel einzufrieren, um sich seinen Platz im Finale zu sichern.

François Fillon versucht alles, um den Fängen seiner Affären zu entkommen, indem er die Grundsätze seines Programms referiert. Zu Beginn der Debatte wirkt er leblos, geht dann, als es um die Moralisierung des öffentlichen Lebens geht, ganz unter und kommt erst wieder bei der Diskussion über wirtschaftliche Fragen zu Atem.

Erst nach einer schier endlosen und überaus zivilisierten Diskussionen über die Erziehung an Grundschulen haben sich die fünf Hauptkandidaten für die Präsidentschaftswahl entschieden, sich in die Arena zu werfen, um ihre Unterschiede deutlich zu machen. Die Pulte, im Halbkreis aufgestellt, laden zum Wortgefecht vor schwarz-weißer Kulisse ein – ein bisschen Amphitheater, Diskothek und Raumschiff.

Die TV-Arena – eine Mixtur aus Amphitheater, Diskothek und Raumschiff

Doch zunächst vorhersehbare Einlassungen zur Frage: „Was für ein Präsident möchten Sie sein?“ Die spielt Hamon zurück, indem er die Franzosen fragt: „Was für ein Volk möchten Sie sein?“ Und endlich eröffnet Mélenchon das Feuer gegen Marine Le Pen, indem er seine Lieblingsfeindin unterbricht, als die gerade fordert, dass man die „Herkunftssprachen“ an den Grundschulen nicht mehr unterrichten sollte. In ebensolch energischer Tonlage schießt Benoît Hamon, als Le Pen ihr Ultrasicherheitsprogramm vorstellt: „Dass Sie wie drogensüchtig von gewissen Dingen sind, ist eine Sache, aber Sie sind Präsidentschaftskandidatin. Was Sie vorschlagen ist nicht seriös.“

Nächstes Ziel François ­Fillon: Den nehmen sich die zwei linken Kandidaten gemeinsam vor. Es geht um die Scheinbeschäftigungsaffäre, die Fillons Kampagne so sehr belastet. „Sie sind stark in Subtraktion, weniger in Addition. Außer wenn es sich um Geld ihrer Familie handelt“, wirft ihm Hamon vor die Füße. „Ich bewundere Ihr gazellenhaftes Schamgefühl“, lacht Jean-Luc Mélanchon den Journalisten des übertragenden Privatsenders TF1 ins Gesicht und erinnert daran, dass nur zwei von fünf Kandidaten von Affären betroffen sind, Fillon und Le Pen.

Mélenchon bohrt am Ende des Abends weiter, indem er diesmal Macron und Fillon über einen Kamm schert. Es geht um die Anhebung der Wochenarbeitszeit, der beide etwas abgewinnen können: „Was die 35-Stunden-Woche betrifft, sagen Sie beide das Gleiche.“ Der Kandidat der Republikaner bestätigt diese liberale Übereinstimmung, die da für die Zeit einer einzigen Antwort herrscht: „Wir wollen die ­Arbeitnehmer entscheiden lassen.“ Aber diese „Allianz“ Macron/Fillon wird schnell gesprengt, als es um unterschiedliche Sichtweisen auf eine Rentenreform geht und vor allem, als sich die beiden vorhalten, was sie als Regierungsvertreter geleistet haben. ­Fillon war Premierminister unter Präsident Nicolas Sarkozy, Macron zwei Jahre Wirtschaftsminister unter dem sozialistischen Staatschef François Hollande.

Doch das Duo formiert sich neu, als der Austritt aus der Euro-Zone, wie er vom Front National gepriesen wird, zum Thema wird. Fillon beschuldigt Marine Le Pen, „das Land ins Chaos zu führen“, und dass sie „ein Abenteuer leben will, das in den Ruin führen wird“. „Das ist das Projekt Angst“, entgegnet die Kandidatin, zückt Grafiken, die den Einbruch der Industrieproduktion nach dem Beitritt Frankreichs zum Euro belegen sollen. „Ich teile vollkommen die Ansicht von François Fillon“, schließt Emmanuel Macron. Da schont einer seinen rechten Konkurrenten sehr offensichtlich.

Die taz und die französische Tageszeitung Libération machen journalistisch gemeinsame Sache. Wir arbeiten zur Wahl in Frankreich und dann zur ­Bundestagswahl zusammen. Den Kommentar zum TV-Duell von Libération-Chefredakteur Laurent Joffrin lesen sie auf Seite 1.

Einige Minuten zuvor hat ­Macron seinen großen Auftritt gegen Marine Le Pen. Es geht um den Laizismus. „Ich hatte geglaubt verstanden zu haben, dass Sie den Burkini mögen“, greift ihn die Front-Frau an. Gereizt antwortet der Kandidat von En Marche: „Ich brauche keinen Bauchredner.“

Er brauchte diesen Energieschub für seinen Zweikampf mit Benoît Hamon. Der sozialistische Kandidat spricht den Chef von En Marche direkt auf die Finanzierung seiner Kampagne an, die er in den Händen von „reichen Leuten“ wähnt. „Das geht an mich, also erlaube ich mir zu antworten“, erwidert Macron den Angriff, der versichert, „niemandem verpflichtet zu sein“. Die zwei Exminister für die Sozialisten – Hamon war 2014 kurz Minister für Bildung, Hochschulen und Forschung – gehen ins Duell und vereinnahmen die Diskussion, bis sie von den Moderatoren zurechtgewiesen werden. Es handle sich um eine Diskussion zu fünft und nicht zu zweit. Der Linke ­Mélenchon bringt die 400 Zuschauer und Geladenen zum Lachen, als er den beiden reingrätscht: „Es muss wohl immer eine Diskussion innerhalb der Sozialistischen Partei geben.“

Übersetzung: Yvonne Griesel

Laure Bretton und Laure Equy sind Redakteurinnen der französischen Tageszeitung Libération.

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