Wie die Stadt Rosario die Smombies retten will

Argentinien Ampelsignale im Gehweg sollen Handynutzer im Straßenverkehr schützen

30 Prozent der Fußgängerunfälle hatten mit dem Starrenaufs Handy zu tun

Aus Buenos Aires Jürgen Vogt

In Argentinien haben Smombies jetzt bessere Überlebenschancen. Zwar ist das deutsche Jugendwort des Jahres 2015 am Río de la Plata unbekannt, doch die Spezies selbst ist in den argentinischen Stadtlandschaften ebenfalls weit verbreitet: Menschen, die wie hypnotisiert auf ihre Smartphones starren und wie Zombies durch die Straßen laufen.

Die zentralargentinische Stadt Rosario lässt deshalb jetzt spezielle Ampeln für Smombies installieren. Ampeln für Fußgänger, die beim Überqueren der Straße, statt auf den Verkehr zu achten, auf das Display ihrer Smartphones fixiert sind. Es sind kurz vor dem Bordstein eingelassene Lichtbalken, die rot oder grün aufleuchten.

„Der ständige Gebrauch des Telefons, während man auf öffentlichen Straßen unterwegs ist, ist längst Gewohnheitssache geworden“, sagt Horacio Ghirard, sozialistischer Stadtrat und Initiator des Pilotprojekts. Nach seinen Angaben haben sich die Unfälle, bei denen Passanten durch den Gebrauch ihrer Handys abgelenkt sind, in den letzten zehn Jahren verdoppelt. „Egal ob Textnachrichten gelesen oder geschrieben und verschickt werden, wer dabei die Straßen überquert, kann zum Risiko werden, nicht nur für sich selbst“, so Ghirard.

Die ersten Ampelbalken gingen vergangene Woche an der Kreuzung der Straßen Corrientes und Córdoba in Betrieb, an der die Fußgängerzone auf eine kreuzende Verkehrsstraße stößt. Die horizontalen Ampeln gehen dabei synchron mit den normalen Ampelanlagen, sind mit LED-Leuchten ausgestattet und strahlen so ein markantes Licht aus.

Die Stadt erhofft sich davon, die Unfallhäufigkeit bei Smombies zu senken. Von den 3.700 Verkehrsunfällen, die sich im vergangenen Jahr in Rosario ereigneten, waren 210 Unfälle mit Fußgängern. „Davon ereigneten sich 30 Prozent in der Innenstadt beim Benutzen der Smartphones“, sagt Rosarios Umweltsekretärin Marina Borgatello beim Projektstart.

Borgatello gibt sich optimistisch. „Egal ob es Tag oder Nacht ist, die Balken sind leicht zu erkennen und haben einen effizienten Energieverbrauch“, sagt die Umweltsekretärin, für die die Einrichtung der Bordsteinampeln noch eine andere Komponente hat. „In der Innenstadt müssen Fußgänger an der ersten Stelle stehen. Man muss sie ins Zentrum der Überlegungen stellen und ihnen Instrumente zur Verfügung stellen, die sie schützen.“

Insgesamt zehn horizontale Ampeln sollen in der Innenstadt installiert werden, bevorzugt an den problematischen Kreuzungen in der Fußgängerzone. „Eine interessante Sache“, findet eine vorbeikommende Passantin, „vor allem für die Jugendlichen. Die laufen wie hypnotisiert herum.“ Aber wenn nicht zugleich die Gehwege insgesamt ausgebessert werden, sehe sie da wenig Erfolgschancen.

Tatsächlich gibt es in Argentiniens Städten keine hundert Meter Gehweg, die nicht irgendwie kaputt sind. Ständig stolpern nicht nur Smombies über die zerbrochenen und unebenen Gehwegplatten.

Der Kioskbesitzer an der Ecke Corrientes und Córdoba blickt ebenfalls skeptisch. Erst neulich habe ein Taxi einen jugendlichen Fußgänger angefahren. „Nicht der Passant hat auf sein Display gestarrt, sondern der Taxifahrer“, erzählt er. Kein Wunder, hat sich doch auch der Gebrauch der Mobiltelefone unter den AutofahrerInnen radikal geändert. Hatten noch vor wenigen Jahren die FahrerInnen Hände und Handys an den Ohren statt am Lenker, so sind heute die Augen statt auf den Verkehr auf die kleinen Bildschirme gerichtet und die Finger tippen unablässig WhatsApps. Dabei ist das auch in Argentinien verboten – rund 15 Prozent der Strafzettel in Buenos Aires gibt es wegen Handybenutzung am Steuer.

Eine Bedrohung für die Spezies der Smombies ganz anderer Art werden auch die Ampeln nicht ausschalten: die Motochorros. Dies ist tatsächlich eine argentinische Wortschöpfung. Gemeint sind Diebe, die zu zweit auf wendigen Motorrädern unterwegs sind. Der Beifahrer springt schnell herunter, reißt Passanten weg, was eben geht, und springt zurück auf das wegzischende Motorrad. Die Handys der Smombies sind eine bevorzugte Beute.