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Correas Nachfolger ruft zu Dialog und Frieden auf

Ecuador Mit knappem Vorsprung gewinnt Regierungskandidat Moreno die Stichwahlen

Der scheidende Ra­fael Correa hinterlässt ein politischtief gespaltenes Land

BUENOS AIRES taz | Es ist eine knappe Entscheidung: Mit nur 210.000 Stimmen Vorsprung hat Lenín Moreno die Stichwahl um Ecuadors Präsidentenamt gewonnen. Nach der Auszählung von gut 96 Prozent der Stimmen kam der Kandidat der regierenden linken Alianza País auf 51,1 Prozent der Stimmen. Dagegen erhielt der konservative Guillermo Lasso 48,9 Prozent. Während Moreno sich zum Sieger erklärte und seinen Kontrahenten aufforderte, die Niederlage anzuerkennen, kündigte Lasso die Anfechtung des Ergebnisses an und forderte eine erneute Auszählung der Stimmen.

Kaum waren am Sonntag die Wahllokale geschlossen und die ersten Hochrechnungen zweier privater Institute veröffentlicht, jubelte das ganze Land. Beim eher regierungsfreundlichen Institut lag Moreno mit 52,2 Prozent vorne. Dagegen wies die Hochrechnung beim eher oppositionsfreundlichen Institut Lasso mit gut 53 Prozent als Sieger aus. Sofort erschienen beide vor ihren Anhängern und erklärten sich zum Sieger und zukünftigen Präsidenten. Während im rechten Lager euphorisch gefeiert wurde und Lasso eine Antrittsrede hielt, herrschte bei Moreno und seinen Getreuen eine gemäßigte Atmosphäre. Erst müssten die offiziellen Zahlen abgewartet werden, so Morenos Vorgabe.

Lassos Anhängerschaft erlebte ein Wechselbad der Emotionen. Hatte sie ihren Kandidaten eben noch frenetisch gefeiert, so waren die ersten offiziellen Zahlen ernüchternd. Ungläubigkeit, Enttäuschung und Wut trieben mehrere hundert von ihnen vor den Sitz des Obersten Wahlrates in der Stadt Guayaquil. Es kam zu Rangeleien mit den aufgereihten Polizisten, Gegenstände flogen, Tränengas wurde eingesetzt, kleine Brände wurden entfacht.

Ecuador ist politisch gespalten. Schon rein optisch zeigt sich dies an den Parteifarben, die dort aufleuchten, wo der jeweilige Kandidat die Mehrheit holte. Während das fluoreszierende Grün Morenos sich wie ein Gürtel entlang der Grenze zu Peru über die Pazifikküste nach Süden zieht, dominiert das Blau von Lasso die gesamten Provinzen im Landesinneren. Zehn Jahre Correa-Regierung haben die Fronten derart polarisiert, dass selbst gemäßigte und weniger gemäßigte Linke zur Abstimmung gegen Correas Kandidaten und so zur Stimmabgabe für den neoliberalen Banker Lasso aufgerufen hatten. Tief ist der Graben, den Correas ständige Gängelung, juristische Verfolgung und auch Kriminalisierung Andersdenkender aufgerissen hat. Moreno sprach am Wahlabend von einer neuen Epoche des Dialogs, die jetzt anbreche, und davon, dass nun „der Moment des Friedens, der Moment der Einheit ist“.

Obwohl möglich, hatte Correa auf eine erneute Kandidatur verzichtet. Seine Auszeit als Präsident will der 53-Jährige in Belgien nehmen, dem Heimatland seiner Ehefrau Anne Malherbe. Von dort aus wird er Ecuador im Blick behalten und höchstwahrscheinlich sein Comeback vorbereiten.

Einer dürfte mit dem Ergebnis mehr als zufrieden sein: Wikileaks-Gründer Julian Assange. Seit Juni 2012 sitzt er in der ecuadorianischen Botschaft in London, um einer Auslieferung an Schweden zu entgehen, wo eine Anzeige wegen Vergewaltigung gegen den 45-jährigen Australier anhängig ist. Während Moreno sagte, er werde ihm weiter Asyl gewähren, hatte Lasso verkündet, Assange innerhalb von 30 Tagen den Schutz zu entziehen. Jürgen Vogt

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