: Feierabend nach fast 50 Jahren im Amt
MENSCHENRECHTE Profiliert wie umstritten: Tilman Zülch tritt bei Gesellschaft für bedrohte Völker ab
Mit Zülch zieht sich einer der profiliertesten, aber auch umstrittensten Menschenrechtler zurück. Mit einem Kommilitonen hatte er 1968 die „Aktion Biafra-Hilfe“ gegründet, aus der zwei Jahre später die Gesellschaft für bedrohte Völker hervorging. Sie setzt sich bis heute für Ureinwohner in Amerika und Asien, für Kurden und Jesiden im Nahen Osten und immer wieder auch für Volksgruppen ein, „von denen keiner spricht“ – so der Titel eines der von Zülch herausgegebenen Bücher.
„Auf keinem Augen blind“, ist Zülchs Leitmotto. Dass er sich für Miskito-Indianer im sandinistischen Nicaragua engagiert, früh für ein Zentrum gegen Vertreibungen eintritt und im Jugoslawien-Konflikt Position für die bosnischen Serben bezog, rief linke Demonstranten auf den Plan. Zülchs Antwort: „Ihr seid auf einem Auge blind.“
1980 war Zülch in Göttingen Mitgründer der Grünen, ein Jahr später trat er wegen eines vermeintlichen Linkskurses wieder aus. Von 1985 bis 1989 wurde er mit einem DDR-Einreiseverbot belegt. Seine Stasi-Akte betrachtet er als „Anerkennung“.
Intern beklagten Mitarbeiter bisweilen ein autoritäres Regiment des Generalsekretärs. 2012 eskalierte ein Streit über angeblich nicht belegte Zuweisungen und zu Unrecht bezogene Gehälter in Strafanzeigen und dem Ausschluss von zwei Vorständen. „Ein Drittel unserer Arbeitszeit verbringen wir gerade mit einer Art internem Bürgerkrieg“, sagte Zülch damals. Über Monate kommunizierten er und seine Widersacher nur über Anwälte.
Für sein Engagement erhielt Zülch 16 Auszeichnungen, darunter den Göttinger Friedenspreis, den Europäischen Bürgerrechtspreis der Sinti und Roma und das Bundesverdienstkreuz. Sein Nachfolger als Generalsekretär der Gesellschaft für bedrohte Völker wird ein Zülch-Vertrauter: der langjährige Asien- und Afrika-Experte Ulrich Delius. Reimar Paul
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