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Die Bundesliga bleibt wohl ein Traum

Volleyball Die Kleinstadt Husum hätte einen Bundesligaclub bekommen können – wenn da nur die Sachemit dem Geld nicht wäre. Eine Bewerbung um eine vom Verband ausgelobte Wildcard droht zu scheitern

von Christian Görtzen

Sich einfach mal etwas trauen, verrückt sein – das hatte sich Oliver Wagner Ende Oktober gedacht, als er las, dass die Volleyball-Bundesliga (VBL) jedem Verein in Deutschland plötzlich die Chance bot, in die Eliteliga aufzurücken. Der 51 Jahre alte Trainer der Landesliga-Volleyballer vom TSV Husum 1875 war elektrisiert.

Noch bis zum 1. April stellt die VBL eine Wildcard, also ein Direktticket, in Aussicht. Die sportliche Qualifikation? Irrelevant. Selbst ein Kreisligist kann sich bewerben. Wichtig ist der Businessplan. Wieviel Substanz hat der Etat? Wie ist die Infrastruktur? Gibt es eine Halle mit mindestens 2.500 Plätzen und einer Deckenhöhe von wenigstens neun Metern?

Wagner schickte einen Antrag auf eine Wildcard an die VBL. Ein Name für das potenzielle Erstliga-Team war flugs gefunden: Wattvolleys. Das professionell gestaltete Logo, ein leuchtturmrotes „W“, wirkt amerikanisch, am rechten oberen Rand ist die Zange eines Krebses zu erkennen. Anfang März gründete Wagner mit sechs Mitstreitern den Verein.

Einziger Bewerber

Husum ist der einzige Bewerber – dies dürfte bis zum Ablauf der Frist auch so bleiben. Ein „Geschenk des Himmels“ nannte Wagner die Wildcard bereits. Vermutlich wird es nicht zustellbar sein. „Der Etat ist das Problem“, räumt der gebürtige Berliner ein. „Wir laufen auf den 1. April zu. Es ist fraglich, ob wir das auf der Zielgeraden noch schaffen können.“

Zurzeit würde das Geld nicht einmal dazu reichen, die 50.000 Euro teure Wildcard zu finanzieren. Von der Aufstellung des Saisonetats ganz zu schweigen. Zunächst hatten sie bei den WattVolleys 800.000 Euro dafür zusammenbringen wollen, mit 500.000 Euro wäre die Erste Liga auch möglich, hieß es später.

„Bis jetzt haben wir zwischen 10.000 und 15.000 Euro. Im Prinzip ist das nichts“, gesteht Wagner ein. Bei der Frage, ob das Projekt auf Watt gebaut wurde, lacht er. Nee, das sacke nicht ein. „Es ist doch logisch, dass es mittlerweile in Richtung Plan B geht. Wenn nicht jetzt, dann im nächsten Jahr. Es geht nahtlos weiter“, macht sich Wagner Mut, der im Besitz der Trainer-A-Lizenz ist und das Team coachen könnte.

Die Idee von Bundesliga-Volleyball an der Nordsee gefällt auch der VBL. „Wir wollten mit der Wildcard eigentlich Städte mit 100.000 Einwohnern ansprechen“, sagt Daniel Sattler, Manager der Organisation und Finanzen. „Aber Husum mit der gesamten Region würde sich gut in die Bundesliga einreihen. Das ist ein sehr ehrgeiziges Projekt mit einem frischen Team. Zudem gibt es mit der Messehalle eine gute Infrastruktur.“ Bislang ist dort die alle zwei Jahre stattfindende Husum Wind, die Fachmesse für Windenergie, der Veranstaltungshöhepunkt. Der war aber auch schon mal doller, bevor Hamburg den Husumern die weltweite Branchen-Leitmesse „Wind Energy“ abjagte.

„Leider ist das Thema wieder das liebe Geld“, gibt Sattler zu bedenken. „Den Husumern läuft etwas die Zeit davon.“ Schade sei das. Die Liga sucht dringend nach Erstligisten bei Männern und Frauen. Immer wieder mussten Vereine aus finanziellen Gründen aufgeben. Die Zweitliga-Meister scheuen oft den Sprung nach oben und verzichten.

Kaum Sponsoren zu finden

Wagner und der potenzielle Geschäftsführer Oliver Camp setzten bei der Sponsoren-Akquise darauf, einen „großen Fisch“ zu fangen. Dies ist aber rund um die 22.000 zählende Kreisstadt im strukturschwachen Nordfriesland schwierig. Und je weiter es Richtung Ostsee geht, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich die angesprochenen Unternehmen längst bei den Handball-Spitzenklubs SG Flensburg-Handewitt und THW Kiel engagieren.

Husums Bürgermeister Uwe Schmitz (parteilos) weiß um die Herausforderung. „Die Idee gut zu finden, ist die eine Sache. Aber viele potenzielle Geldgeber fragen dann auch: ,Wo ist meine Rendite?‘“ An dem Punkt wird es in der Tat schwierig. Im Fernsehen findet Volleyball kaum statt. Die Werbewirksamkeit ist gering.

Gute Spieler zu finden, wäre noch das geringste Problem. Es habe schon viele Anfragen gegeben, vor allem von Collegespielern aus den USA und Kanada, so Wagner, der sich als „positiv Bekloppter“ sieht. Seinen Traum vom Bundesliga-Volleyball in Husum gebe er nicht auf.

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