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Unser Dorf ist schön geworden

Architektur Das Louisiana Museum im dänischen Humlebæk zeigt eine Werkschau des Chinesen Wang Shu

von Christian Schittich

Schon der Weg zur Ausstellung ist inszeniert. Der Besucher nähert sich seinem Ziel durch langgestreckte verglaste Pavillons, vorbei an Plastiken von Max Ernst und Giacometti, mit immer wieder wechselndem Ausblick in die verschneiten Gärten oder auf das stürmische Meer. So zeigt sich das Louisiana, berühmt wegen seiner fantastischen Integration in die Landschaft, als der ideale Ort für eine Präsentation des chinesischen Baumeisters Wang Shu, dessen Werk sich durch raue Materialität und Sinnlichkeit auszeichnet. Im Jahr 2012 überraschend mit dem renommierten Pritzkerpreis geehrt, gehört dieser aktuell zu den faszinierendsten Architekten.

Trotzdem hat es ganze acht Jahre gedauert, bis Wang Shu nun seit Anfang Februar wieder mit einer großen Einzelausstellung in Europa vertreten ist. Der zu diesem Anlass publizierte Katalog ist mit seinen gerade einmal 240 Seiten Umfang die bislang umfassendste Publikation über den Architekten und sein Büro Amateur Architecture Studio, das er zusammen mit seiner Frau Lu Wenyu betreibt. Gleich zu Beginn der Schau findet sich der Betrachter unvermittelt vor dem riesigen Teil­mo­dell der neuen Kunstakademie in Hangzhou, an welcher der Architekt als Professor unterrichtet. Dieses aus sage und schreibe 21 unterschiedlich gestalteten Einzelbauten bestehende, zwischen 2002 und 2007 realisierte Gebilde, gilt bislang neben dem Historischen Museum in Ningbo als sein Meisterwerk.

Und erst im Modell wird dem Betrachter dessen Komplexität und Vielfalt an Formen in ihrem gesamten Ausmaß bewusst. Denn was er sich vor Ort in einem kilometerlangen Weg erschließen muss, kann er hier mit einem einzigen Blick erfassen. Mit Wang Shu startet das Lousiana eine neue Ausstellungsreihe unter dem Motto „The Architect’s Studio“. Dieser Begriff ist, zumindest was den ersten Beitrag betrifft, nicht wirklich glücklich gewählt, denn über die Arbeitsweise des Büros selbst, vor allem über die Zusammenarbeit von Wang Shu mit seiner offiziell gleichberechtigten Partnerin Lu Wenyu, die immer nur am Rande erwähnt wird, erfährt man kaum etwas. Dafür stellt der Baumeister gleich im ersten Raum seine grundsätzliche Herangehensweise sowie seine wichtigsten Inspirationsquellen vor: die klassische chinesische Landschaftsmalerei für die Formen seiner Bauwerke sowie die traditionellen ländlichen Bauweisen seiner Heimat für Material und Konstruktion.

Im zweiten Raum, präsentiert er dann seine Materialien: Collagen aus recycelten Steinen und Dachziegeln, sehr ästhetisch in Holzrahmen zusammengestellt, Wandstrukturen aus Bambus in unterschiedlichen Mustern sowie diverse Baustoffe für Schaltafeln und deren entsprechende Abdrücke im Beton.

Einiges davon war auch schon auf der letztjährigen Architekturbiennale im vergangen Mai in Venedig zu sehen. Gleichzeitig zeigt dieser Saal seine zwei jüngsten Projekte: das gigantische neue Kulturzentrum in Fuyang (2017), das mit seinen wellenförmigen Dächern die Silhouette der Berge im Hintergrund nachzeichnet, sowie die Dorferneuerung von Wencun (2016). Beide sind eng miteinander verbunden, denn als die Provinzregierung den Architekten mit der Planung in Fuyang beauftragen will, nimmt er den Auftrag nur unter der Voraussetzung an, dass diese auch die Sanierung eines traditionellen Dorfes nach seinen Vorstellungen organisiert und bezahlt.

Inspiration Land

Sein Anliegen dabei ist es nicht nur, die Lebensqualität in den Dörfern zu erhöhen, um der starken Landflucht Einhalt zu gebieten. Vielmehr will Wang Shu aus der intensiven Beschäftigung mit der ländlichen Kultur selbst Nutzen ziehen, will noch mehr erfahren über die überlieferten Baumethoden und Materialien, um diese dann auch in seine Projekte in der Großstadt einzubringen. Wie das am Ende aussehen kann, zeigt der dritte Raum. Hier dreht sich alles um das Historische Museum in Ningbo, den bislang bekanntesten Bau des Büros. Der Tradition seines Heimatlandes entsprechend, wo alles Brauchbare traditionell recycelt wird, verwendet Wang Shu für dessen Außenhülle großteils die Ziegel der für das Stadtentwicklungsprojekt planierten alten Dörfer. Diese leben nun in strukturierten Mustern in den Fassaden und Dächern weiter – und das im wahrsten Sinne des Wortes. Denn es sind vor allem die rauen alten Steine, die dem Ganzen seine ungemeine Kraft und Ausstrahlung verleihen. Doch mit Ningbo, seinem bereits 2008 vollendeten Meisterwerk, hat Wang Shu auch für sich selbst die Latte hochgelegt – daran müssen sich nun alle weiteren seiner Bauten messen lassen. Und dass dieser Vergleich nicht immer von Vorteil ist, zeigt das Wa Shan Guesthouse (2013) auf dem Campus der Kunstakademie in Hang­zhou. Hier sprüht der Architekt nur so vor Ideen, hier zeigt er ein wahres Schaulaufen von Materialien und Oberflächenstrukturen, verstärkt durch eine Fülle an manchmal manierierten Formen und Details. Das führt zwar zu einigen sehr wirkungsvollen Fotomotiven – nicht zuletzt deshalb wohl schmückt dieser Bau dann auch die Plakate zur Ausstellung und das Cover des Katalogs. An Ort und Stelle aber wird der Betrachter an manchen Punkten, wo unvermittelt das gesamte Potpourri zusammenkommt, von der ungemeinen Vielfalt förmlich erschlagen.

Monotonie sei ihm ein Gräuel, erklärt der Architekt dazu im Gespräch. Vielmehr ist es sein Anliegen, „so lebendig zu bauen wie das Leben selbst“. Und das gelingt ihm zweifellos. Wer sich selbst eine Meinung dazu bilden will, dem liefert die sehenswerte, ästhetisch präsentierte Ausstellung eine Menge anschaulicher Informationen.

Bis 30. April, Louisiana Museum, Humlebæk, Katalog 47 Euro

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