: Kommunen fordern Hartz-IV-Revision
Für NRW-Gemeinden mit wenigen Sozialhilfeempfängern ist Hartz IV besonders teuer, weil sie über eine Umlage die Kosten in anderen Kommunen mitzahlen müssen. Einsparungen müssten daher gezielter verteilt werden, fordern sie
KÖLN taz ■ Kommunen in Nord–rhein-Westfalen wehren sich gegen Hartz IV. „Hartz IV hat das Reformziel eindeutig verfehlt“, so Michael Bongard, Sozialamtsleiter der Stadt Monschau. Der Haushalt seiner Stadt werde durch das Gesetz jährlich mit rund 400.000 Euro zusätzlich belastet. Der Grund: Monschau muss über eine neu eingeführte allgemeine Kreisumlage auch Sozialhilfeempfänger anderer Kommunen finanzieren – obwohl die Stadt in der Eifel selbst kaum Sozialhilfeempfänger hat. Das ist kein Einzelfall. Auf einer sozialpolitischen Konferenz in Monschau diskutierten deswegen am Dienstag Vertreter betroffene Gemeinden aus NRW über eine „gerechtere Lösung“. Sie fordern jetzt eine Änderung der Hartz-IV-Gesetze durch das Revisionsverfahren im Oktober.
„Vor Einführung der Hartz-IV-Gesetze ist alles so glatt gelaufen“, sagt Bongard. Bis Anfang 2004 hat die Stadt Monschau 60 Prozent der Sozialhilfekosten aus eigener Tasche bezahlt. Die restlichen 40 Prozent wurden im Kreis Aachen umgelegt. Diese finanzielle Selbstverantwortung der Kommunen habe das Bestreben gefördert, die Sozialhilfequote möglichst gering zu halten, um die Kosten zu reduzieren, glaubt Bongard. „Man kümmerte sich um jeden einzelnen Arbeitslosenfall.“ Wegen Hartz IV muss sich die Stadt Monschau nun dagegen anteilig an den gesamten Sozialhilfekosten des Kreises Aachen beteiligen – was die Stadt weitaus teurer kommt als die alte Regelung.
Denn eigentlich sollten die Kommunen durch Hartz IV sogar um insgesamt rund 2,5 Milliarden Euro finanziell entlastet werden. Erwerbsfähige Sozialhilfeempfänger sollten statt von den Kommunen vom Bund über das Arbeitslosengeld-II-System finanziert werden. In vielen Städten konnten bis zu 90 Prozent der Sozialhilfeempfänger als erwerbsfähig erklärt werden. So auch in Monschau. „Die dadurch erzielte Entlastung hält sich jedoch mit der neuen finanziellen Belastung nicht die Waage“, sagt Bongard. So müssten die Kommunen neuerdings die Unterbringungskosten für alle ALG-II-Empfänger tragen. Zwar beteiligt sich der Bund an diesen Kosten, im Zusammenhang mit der allgemeinen Kreisumlage würde jedoch die kommunale Belastung im Falle Monschaus um 400.000 Euro erhöht, klagt Bongard.
Nach einer Umfrage des Monschauer Bürgermeisters Theo Steinröx (CDU) kennen auch andere Kommunen in NRW das Problem. So werde die Gemeinde Herzebrock-Clarholz im Kreis Gütersloh durch Hartz IV mit 940.000 Euro im Jahr zusätzlich belastet. Auch Baesweiler und Xanten gehören zu den Verlierern von Hartz IV.
Auf der sozialpolitischen Konferenz verabschiedeten die Gemeinden einen Appell. Er fordert die Regierungen von Bund und Ländern auf, für eine gerechtere Lösung zu sorgen und die Kommunen zu entlasten. Das frühere Beteiligungsmodell sei jedoch nicht mehr konsensfähig, so Bongard. Denn Gemeinden mit hoher Sozialhilfequote stehen mit Hartz IV heute besser da als zuvor. Sie wollen keine Rückschritte.
Monschau sucht deshalb nach anderen Alternativen. So könnten die Wohngeldeinsparungen des Bundes gezielter auf benachteiligte Kommunen verteilt werden. Gegebenenfalls sei auch der voreilig beschlossene Sonderausgleich für ostdeutsche Kommunen zu korrigieren, der zurzeit mit 220 Millionen Euro jährlich zu Lasten der NRW-Städte und -Gemeinden zu Buche schlägt. „Auch wenn wir bundesweit die Ersten sind, die diese Diskussion auslösen, unterkriegen lassen wir uns nicht. Wir werden ständig am Ball bleiben, um einer finanziellen Benachteiligung der Kommunen durch Hartz IV entgegenzuwirken“, sagt Bongard. ELLEN KOLLENDER