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„Der Rekord bedeutet mir nichts“

BASKETBALL Dem Team aus Ulm gelingt Historisches. 26 Mal hintereinander bleiben sie in der Liga ungeschlagen. Diesmal mussAlba Berlin dran glauben. Aber wie schaffen das die Ulmer nur? Es sind verblüffend einfache Rezepte, die zum Erfolg führen

Kein Freund von blindem Aktionismus: der Ulmer Morgan (r.) ist der beste Punktesammler der Liga Foto: imago

aus Ulm Sebastian Schmid

Der Jubel nach dem 82:76-Sieg von Ulm gegen Alba Berlin war gar nicht so groß. Zwar nahm Trainer Thorsten Leibenath entgegen seiner Gewohnheit am fast schon obligatorischen Humba-Humba-Ritual mit den Fans teil, doch das hatte pragmatische Gründe. „Ich hatte zwei Interviews zu geben und war ohnehin noch auf dem Spielfeld“, sagte der 41-Jährige. Es soll nicht der Eindruck entstehen, dass sich die Ulmer jetzt schon selbst feiern. Dabei gäbe es allen Grund dazu. Der Sieg über Berlin war der 26. (!) hintereinander, eine solche Serie hat in der 51-jährigen Liga-Geschichte noch keine Mannschaft hingelegt. Doch während sich die Basketball-Gemeinde vor dieser Leistung verneigt, bleiben die Dauersieger aus Ulm konzentriert. „Der Rekord bedeutet mir nichts. Er ist nicht mehr als eine Randnotiz“, stellte Leibenath klar. Er und seine Spieler betonen gebetsmühlenartig, was dieses Jahr zählt: die Meisterschaft.

Beim Blick auf die Tabelle könnte man meinen, dass die Saison bislang wie im Traum verlaufen ist, doch das ist nur ein Teil der Geschichte. Es gab bereits bittere Niederlagen, auch gegen die Bundesliga-Konkurrenz. Im Eurocup unterlag Ulm zweimal Bayern München, im Pokal scheiterte der Klub an Ludwigsburg. Dabei hatte man vor allem hier die große Chance gewittert, den zweiten Titel der Vereinsgeschichte nach dem Pokal im Jahre 1996 zu holen. „Die Niederlagen, die es gab, haben uns geerdet“, sagt Leibenath.

Ähnlich wie die bisherige Saison verlief auch das Heimspiel gegen Berlin nicht geradlinig. Trotz des 24:33 nach dem ersten Viertel verfiel das Team nicht in blinden Aktionismus, sondern spielte geduldig sein System weiter. Die Optionen im Angriffsspiel sind dabei immens. Unter dem Korb verfügen die Schwaben mit Raymar Morgan über den momentan besten Punktesammler der Liga. Im Aufbau wechselt sich Wirbelwind Per Günther mit Braydon Hobbs ab, einem der besten Ballverteiler der Liga. Shooting Guard Chris Babb ist nur schwer zu stoppen. Er ist der Mann für die entscheidenden Würfe. Als im dritten Viertel das Spiel vor den 6.200 Zuschauern in der zum 113. Mal hintereinander ausverkauften Arena zugunsten der Hausherren kippte, war er es, der mit fünf Punkten für die 56:51-Führung sorgte.

Die Offensive war schon in den vergangenen Jahren das Prunkstück der Ulmer. Gehapert hat es in der Defensive. Doch in dieser Spielzeit können die Ulmer auch verteidigen. 33 Punkte erzielten die Berliner in den ersten zehn Minuten, im zweiten und dritten Durchgang waren es nur 25. „Im dritten Viertel haben wir die Kontrolle über das Spiel abgegeben“, sagte Alba-Coach Ahmet Caki. Leibenath hingegen lobte: „Es ist beeindruckend zu sehen, wie meine Mannschaft nicht gewillt ist, als Verlierer vom Feld zu gehen.“

Eine Einstellung, die das Team in der vergangenen Runde entwickelt hat. Als Siebter war man in die Playoffs gestartet, schaltete trotz Verletzungssorgen mit nur sieben gestandenen Spielern Oldenburg und Frankfurt aus. Nur Bamberg war im Finale eine Nummer zu groß. Anschließend konnten alle Leistungsträger gehalten werden. Mit Hobbs, Abwehrspezialist Karsten Tadda und Rückkehrer Tim Ohlbrecht wurde der Kader verstärkt. Nicht einmal das frühe Saison-Aus von Ohlbrecht wegen einer Knieverletzung und der zwischenzeitliche Ausfall von Günther brachten das Team aus der Erfolgsspur, zumal mit Jonas Wohlfarth-Bottermann aus Berlin ein Ohlbrecht-Ersatz geholt wurde. Die Neuen sind alles Akteure, die perfekt ins Gefüge passen. Leibenath gelingt es in seinem siebten Jahr in Ulm, seinen Spielern die richtige Balance zwischen Spaß und Ernst zu vermitteln und ihnen innerhalb des Spielsystems genügend Freiheiten zu gewähren, um nicht ausrechenbar zu werden.

Doch auch wenn die Verantwortlichen auf Teamgeist und den Wohlfühlfaktor setzen, greifen die Mechanismen des Profisports. Mit ihren Leistungen haben sich die Leistungsträger für finanzkräftige Topklubs interessant gemacht und werden Ulm wohl verlassen. Da hilft es auch wenig, dass der Klub seinen Jahresetat auf über fünf Millionen Euro hochschrauben konnte und damit zum oberen Viertel der Liga gehört.

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