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Ein luftiges Vermächtnis

ÜBERFLIEGER Vor 100 Jahren starb Graf Zeppelin in Berlin – seine Erfindung des Luftschiffs hat in der Region einiges bewegt

von Helmut Höge

Am Weltfrauentag jährt sich zum 100. Mal der Todestag des schwäbischen Kavalleriegenerals Graf Zeppelin – des großartigen Erfinders des Crowd-Funding: Er brachte es fertig, mit einer „Zeppelinspende des deutschen Volkes“ ein nach ihm benanntes Luftschiff zu finanzieren. Es steigt, mit Helium gefüllt, quasi von selbst auf und braucht nur eine minimale Antriebskraft, um vorwärtszukommen. An vielen deutschen Orten wurden Zeppelinsteine und -denkmäler errichtet. Die riesigen, zigarrenförmigen Ungetüme setzte man in der zivilen Luftfahrt ein.

Im Ersten Weltkrieg wurden sie militärisch genutzt. Sie fielen deswegen nach Kriegsende dem von den Alliierten erlassenen Verbot, motorgetriebene Flugzeuge und Flugschiffe zu bauen, zum Opfer. Deutschland musste sich vorerst auf Strömungsforschungsstudien und den Bau von Segelflugzeugen beschränken. Ab Mitte der zwanziger Jahre hatten die Luftschiffe noch einmal Konjunktur. Es wurden immer größere gebaut.

1937 explodierte der Zeppelin „Hindenburg“ bei der Landung in New York mit 37 Menschen an Bord. Die USA hatten ein Embargo verhängt, das unter anderem Helium betraf, was dieses Gas so verteuerte, das man das Luftschiff mit Wasserstoff gefüllt hatte, das sich dann durch einen Reibungsfunken entzündete. „Kaum ein anderes Unglück hat die Angst vor der Luftfahrt mehr geprägt als der Absturz der Hindenburg“, heißt es. Die Katastrophe leitete das Ende der deutschen Luftschifffahrt ein. 1940 ordnete Hermann Göring das Abwracken der letzten zwei Luftschiffe und die Sprengung der Luftschiffhallen an. Die Zeppelinwerke wendeten sich anderen Feldern des Maschinenbaus zu. Zuletzt hatten sie an den Standorten Friedrichshafen, Potsdam, Gotha und Staaken (heute ein Ortsteil von Spandau) produziert. Hier wurden Luftschiffe mit militärischer Ausrichtung hergestellt und erprobt, weswegen das Werk in Staaken schließen musste.

Aber schon 1919 gab es wieder einen Linienverkehr ­zwischen Friedrichshafen und Staaken. Der Zeppelin LZ120 flog mit einer Geschwindigkeit von etwa 100 Stundenkilometern und hatte 20 Passagiere an Bord. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden der Flugplatz und Reste des Werks in Staaken von der Roten Armee genutzt. Nach der Wende siedelte sich dort in einer Ecke Europas größter Zierfischhändler, Benjamin Wohlfeld, an.

Die Zeppelin-Forschung und -Entwicklung war unterdessen weitergegangen. „Im September 1993 wurde die Zeppelin Luftschifftechnik GmbH (ZLT) in Friedrichshafen als Tochterfirma des Zeppelin-Konzerns gegründet und stieg wieder in das Luftschiffgeschäft ein. Vier Jahre später stieg ihr erster „Zeppelin neuer Technologie“ (ZNT) auf. Er wird als „halbstarres Luftschiff“ mit guten „Flugeigenschaften“ bezeichnet. Es wurden dann auch einige verkauft.

Werfthalle Tropical Islands

Im selben Jahr begannen die Bauarbeiten für eine riesige Luftschiffhalle im Spreewald. Ein Unternehmen der deutschen Luftfahrtindustrie, die Cargolifter AG, wollte dort Frachtzeppeline bauen, die 160 Tonnen transportieren sollten. Weil private Geldgeber und der Staat sich jedoch mit Investitionen zurückhielten, blieb es bei der leeren „Werfthalle“, aus der malaysische Investoren dann einen Freizeitpark machten – „Tropical Islands“ genannt.

Wenig später stellte auch eine kalifornische Firma den Bau und die Entwicklung eines „Cargolifters“ ein. Er sollte 66 Tonnen transportieren können. Einer der arbeitslos gewordenen Zeppelinforscher wurde daraufhin beim Airbus-Konzern in Hamburg eingestellt, einer Tochterfirma des „European Aeronautic Defence and Space“-Konzerns. Die EADS hatte bereits 2013 auf der weltgrößten Luftfahrtmesse in Paris den Entwurf eines 90 Meter langen und 80 Meter breiten Beobachtungsluftschiffs vorge­stellt. Daraus war bisher jedoch noch nichts gefolgt. Dafür präsentierte die englische Firma Hy­brid Air ­Vehicles 2016 ihr „weltgrößtes Luftschiff, ‚Airlander 10‘ “.

1937 explodierte der Zeppelin „Hindenburg“ bei der Landung in New York mit 37 Menschen an Bord. Kaum ein anderes Unglück hat die Angst vor der Luftfahrt mehr geprägt

Die Tageszeitung Die Welt schrieb: „Vor drei Jahren hieß das Modell noch Long Endurance Multi-Intelligence Vehicle (LEMV), eine Art Langzeitspionagezeppelin, und war als US-Militärprojekt für den Einsatz in Afghanistan geplant. Für den Spottpreis von 301.000 Dollar kam das Luftschiff nach Großbritannien und wird nun als ziviles Projekt mit der Aussicht auf enorme Zukunftschancen vermarktet. Gesucht werden auch mutige Aktionäre.“

Den Hamburger Zeppelinentwickler und seine Kollegen ficht das Fehlschlagen der Versuche, mit Zeppelinen wieder ins Geschäft zu kommen, nicht an. Bei ihrer alljährlichen „Leistungsschau der Luftschiffbauer“, die etwa 2013 in der großen Peter-Behrens-Halle auf dem Gelände des untergegangenen AEG-Konzerns im Wedding stattfand, waren sie bester Laune. In der „Klügsten Nacht des Jahres“ ließen sie ihre zwei Meter großen Zeppeline aus Silberfolie ferngesteuert durch die Halle fliegen.

Ein Teilnehmer mutmaßte in der Wettbewerbspause: Das Scheitern der Cargolifter-Projekte liege daran, dass das Helium infolge des erhöhten Bedarfs der US-Militärs zu teuer geworden sei, sodass viele zivile Luftschiffprojekte erst einmal auf Eis gelegt wurden. Aber weil Helium so teuer geworden ist, will der russische Konzern Gazprom sich nun zum führender Exporteur dieses strategischen Rohstoffs aufschwingen.

Unterdes haben norwegische Forscher im Juni 2016 eine „gigantische“ Heliumlagerstätte in Tansania entdeckt. Damit dürfte die „Helium-Krise“ eigentlich überwunden sein; die Süd­deutsche Zeitung titelte aber: „Es ist zu schade für Luftballons.“ Diese jedoch hatten Graf Zeppelin einst auf seine Idee gebracht.

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