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Das ist seine Welt

Tennis Schön, wenn man nach der aktiven Laufbahn gleich Optionen hat: Tommy Haas, Mann mit Beziehungen, findet sich glücklich als Turnierdirektor in Indian Wells wieder

Hat eigentlich keinen Grund zu schmollen: Tommy Haas Foto: ap

aus Indian Wells Doris Henkel

Morgens ist er spätestens um 9 zur ersten Besprechung im Tennisgarten zu Indian Wells, abends geht er nicht vor dem Ende des letzten Spiels. Es sind lange Tage für Tommy Haas bei seiner Premiere als Turnierdirektor der BNP Paribas Open, des fünftgrößten Turniers der Welt, doch er macht den Eindruck, als genieße er jede Minute. Anfang Juni vergangenen Jahres war Haas in seiner neuen Rolle vorstellt worden. Vorgänger Raymond Moore, der lange zu den tragenden Säulen in Indian Wells gehört hatte, war nach einem frauenfeindlichen Kommentar beim sogenannten Frühstück mit der Presse zum Abschluss des Turniers 2016 nichts anderes übrig geblieben, als den Posten zu räumen.

Die Suche nach einem Nachfolger führte auf direktem Weg zum deutschen Spieler, der mit dem Besitzer der Anlage und des Turniers befreundet ist, Milliardär Larry Ellison. Die beiden hatten sich vor längerer Zeit über Haas’ Schwiegervater, den Musikproduzenten David Foster, kennengelernt, als Ellison dessen Haus in Malibu kaufte. „Das war das Haus, in dem er sich dann zum dritten Mal scheiden ließ“, erzählt Haas und kann sich ein süffisantes Lächeln nicht verkneifen.

Meist sagt er „Mister Ellison“, wenn er vom Big Boss redet. Seit Jahren ist er bei seinen Besuchen in Indian Wells Gast in dessen Haus, und der private Golfplatz steht ihm wie allen Gästen zur Verfügung. In den vergangenen Jahren saßen die beiden immer wieder zusammen auf der Tribüne, wenn Haas wegen einer Verletzung nicht spielen konnte, und dieser dachte dabei des Öfteren, dass er gern eine Rolle bei diesem Turnier hätte. „Was das für eine Rolle wäre oder wie die aussehen sollte, das wusste ich zu dem Zeitpunkt noch nicht“, sagt er bei einem Gespräch in seinem Büro, einem nicht allzu großen, zweckmäßig eingerichteten Raum im Verwaltungstrakt. Er musste nicht lange überlegen, als sich die Möglichkeit noch während seiner aktiven Karriere ergab; irgendwie hatte er ohnehin das Gefühl, schon Teil dieses Turniers zu sein. Er sagt, er hänge leidenschaftlich an allem, was mit Tennis zu tun habe. „Das ist meine Welt. Und in dieser Welt will ich bleiben.“

Natürlich könnte er den neuen Job ohne die Rückendeckung eines eingespielten, erfolgreichen Teams noch nicht schaffen. In diesen zwei Wochen ist er zu hundert Prozent bei der Sache, aber in der Zeit davor war er ja auch damit beschäftigt, seinen Körper für die Abschiedstournee in Form zu bringen. Gut möglich, dass er seine Karriere nach den US Open beenden wird, bis dahin stehen diverse Starts auf dem Programm, darunter auch bei den deutschen Turnieren in München, Stuttgart und Halle.

Der geschasste Vorgänger Raymond Moore wirkte eher im Hintergrund, Tommy Haas ist dieser Tage als werbender Turnierdirektor unterwegs. Er gibt Interviews im Zehn-Minuten-Takt, sitzt bei einer öffentlichen Plauderstunde auf der Bühne im Tennisgarten, nimmt in offizieller Funktion Auszeichnungen der ATP und der WTA entgegen, die Indian Wells wie fast in jedem Jahr mit dem Preis für das beliebteste Turnier belohnen. „Ich glaube, dass ich da mit meiner Persönlichkeit und mit meinem Tenniswissen die eine oder andere Geschichte erzählen kann“, sagt er. „Die Leute sollen das Gefühl haben, sie können mich alles fragen.“ Er selbst kann sich sich sehr gut vorstellen, dass daraus in Zukunft ein allumfassender Job wird.

Schon spannend, wie das Leben so spielt. Tommy Haas sitzt nun in Indian Wells auf der Tribüne und sieht einem langjährigen Weggefährten zu, den er seit 19 Jahren kennt, Roger Federer. Der eine wurde neunmal operiert und verbrachte zusammengerechnet Jahre seines Lebens in Krankenbetten und auf Reha-Stationen. Der andere, gut drei Jahre jünger, schwebte durch die Karriere, war selten verletzt und berührte an manchen Tagen den Boden nicht. Haas hätte Federers erster Gegner bei dessen Debüt als Profi im Sommer 1998 sein sollen, doch wegen einer Magen-Darm-Infektion hatte der junge Deutsche seinerzeit passen und auf das Spiel verzichten müssen.

Die erste Woche in der neuen Rolle hat er hinter sich, und natürlich weiß er, worauf es am Ende der zweiten ankommen wird. Dann steht wieder das traditionelle Pressefrühstück mit dem Turnierdirektor auf dem Programm, bei dem falsche Sätze so gefährlich sind wie mit Chili belegte Bagels.

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