: Pferde-Oscar geht nach Bassum
Preisgekrönt Mit seinem Pferdelehrfilm „Liberty“ hat Ralf Schauwacker auf dem Filmfestival Equus in New York die Kategorie „best film international“ gewonnen
von Wilfried Hippen
Wann gewinnt ein deutscher Filmemacher schon mal den Hauptpreis bei einem Filmfestival in New York? Ralf Schauwacker, der auf einem Hof bei Bassum zwischen Bremen und Osnabrück lebt, ist das passiert – ausgerechnet mit einem Lehrfilm über das Training von Pferden namens „Liberty“. Das New Yorker Festival nennt sich „Equus“ und zugegebenermaßen werden dort nur Filme über Pferde gezeigt. Doch immerhin wurde sein Werk unter den etwa 100 Filmen des Programms ausgewählt und in der Branche gilt die Auszeichnung als der „Pferde-Oscar“.
Nach New York war er mit seiner 14-jährigen Tochter auf eigene Kosten gefahren und viel mehr als die Ehre hat der Preis ihm bisher nicht eingebracht. Schauwacker kann noch nicht einmal sagen, ob er seitdem mehr DVDs oder Downloads verkauft, denn „Liberty“ war auch schon vorher so erfolgreich wie noch kein anderer seiner Filme. Im Sommer hatte der Filmemacher mit ihm schon den Preis des Open-Air-Pferdefilmfestivals „Equinale“ in Schwerin gewonnen.
„Liberty – Freie Bodenarbeit als Grundlage für die Kommunikation zwischen Pferd und Mensch“ – wie der ganze Titel lautet – dokumentiert die Arbeit der beiden Pferdetrainerinnen Patricia von Schwedes und Imke Jürgensen. Sie arbeiten ohne Halfter und leiten die Tiere nur mit der Körpersprache. Schauwacker nutzt verschiedene filmische Mittel, die inzwischen nicht mehr so teuer sind wie noch vor ein paar Jahren, um schöne und interessante Bilder von den Pferden und Trainerinnen zu machen. So gibt es Luftaufnahmen von einer Drohne und extreme Nahaufnahmen vom Rücken eines Pferdes, das gerade Fliegen verscheucht – oder will es doch die winzige Kamera von seinem Fell abschütteln?
Schauwacker weiß genau, was er da macht: Zum einen hat er selbst zwei Pferde und weiß deshalb etwa, dass es für die Kenner wichtiger ist, auf die Füße der Tiere statt auf ihre schönen Köpfe zu schauen. Trotzdem passierte dieser Fehler in seinem ersten Pferdefilm, denn ein engagierter Kameramann hielt voll auf die Köpfe. Inzwischen plant Schauwacker seinen neunten Pferdefilm und steht seither am liebsten selbst hinter der Kamera.
Außerdem ist Schauwacker examinierter Pädagoge, er hat also zu lehren gelernt und kann den Stoff so vermittelt, dass es immer interessant bleibt. Schließlich ist Schauwacker zwar als Filmemacher Autodidakt, hat aber seit 1995 über hundert Promotionfilme für Firmen und Künstler produziert. Er hat also viel Praxis und ein Talent für das Metier, sonst hätte er sich nicht so lange als kleiner, unabhängiger Filmemacher halten können.
Sein Werk beeindruckt durch seine Vielseitigkeit: Die meisten Filme sind Auftragsarbeiten und bei einem Lehrfilm für das „Feuerwehrmagazin“ über „Brandbekämpfung mit Schaum“ sind der freien künstlerischen Entfaltung enge Grenzen gesetzt. So sollte man jedenfalls meinen, aber Schauwacker hat ihn mit soviel Fantasie und Witz gedreht, dass er überraschend unterhaltsam geworden ist.
Da werden gleich mehrere ausgefahrene Feuerwehrleitern im Zeitraffer geschwenkt, der Löschschaum fließt bedrohlich auf die Kamera zu und ein Löscheinsatz wird aus der Perspektive der Spritze gezeigt. Dazu spielt eine hektische Musik, die das Adrenalin zum Fließen bringen soll. „Sowas mögen Feuerwehrmänner“, sagt Schauwacker dazu.
Filmemacher ist er geworden, weil er nach 20 Jahren keine Lust mehr hatte, eine Kneipe zu führen. In den 80er-Jahren hatte er eine Filmklasse der Hochschule für Künste besucht, aber als er 1995 beschloss, unabhängiger Filmemacher zu werden, war das ohne Ausbildung und berufliche Absicherung eine kühne Entscheidung. Erst nach fünf Jahren begann er, Geld zu verdienen – etwa mit Filmen für Musiker und Akrobaten, die diese als visuelle Visitenkarten benutzen wollten.
2002 machte Schauwacker einen experimentellen Kurzfilm mit dem Titel „rechtsrechts, linkslinks“, in dem er jeweils rechte und linke Gesichtshälften spiegelte, wodurch jede Person in zwei, zum Teil frappierend unterschiedliche Charaktere aufgespalten wurde. Der originelle und witzige Film gewann drei erste Preise, darunter den der Young Collection in Bremen, aber für den Ruhm konnte der Künstler sich nichts kaufen und so blieb es bei diesem einen Ausflug Schauwackers in die Filmkunst.
Dafür drehte er mit den Nachbarn in seinem Dorf Groß Henstedt eine Tatort-Parodie mit dem Titel „Todart“, die schön trashig daherkommt und in der Dorfkneipe der größte Publikumserfolg seiner bisherigen Karriere war. Dies war übrigens der einzige Film, für den er je Fördergeld bekam, allerdings nicht von der Filmförderung, sondern aus einem soziokulturellen Topf.
Filmförderung und Fernsehredaktionen, die ihm bei der Produktion reinreden könnten, meidet Schauwacker nach einigen missglückten Bemühungen. Stattdessen produziert er auf eigenes Risiko und mit der Hilfe von Freunden, die ihm etwa die Filmmusik machen oder eine Drohne leihen.
So hat er auch ein Roadmovie über die Reise von Straßenkünstlern von Mexiko nach Panama mit dem schönen Titel „The Big Underwear Social Tour“ gemacht, den dann kein Sender haben wollte und der nur in ein paar Kinovorführungen von nicht mehr als 2.000 Zuschauern gesehen wurde. Ein gescheiterter Film? Schauwacker spricht lieber von der Erfahrung der anstrengenden, aber auch schönen Dreharbeiten.
Und wie misst sich bei ihm dann Erfolg? Am ehesten noch an den Bestellungen seiner Lehrfilme bei Amazon und an den Aufrufen bei Youtube. Aber auch dort gibt es merkwürdige Resultate: Ein Werbespot für den letzten Kommunalwahlkampf der SPD im Landkreis Diepholz mit dem Slogan „Aufs richtige Pferd setzen“ mit schönen Pferdeaufnahmen hat es gerade auf rund 280 Klicks geschafft, während ein langweiliges Filmchen für eine Ärztepraxis über „Beinlängendifferenz“ mehr als 20.000 mal angesehen wurde.
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