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Der gute Erzamerikaner

Filmreihe Im Metropolis beginnt in dieser Woche eine Retrospektive des Schauspielers James Stewart, der sich auf der Leinwand vom Landei zum neurotischen Helden wandelte

Wie kein anderer ist er Hollywoods Verkörperung des guten Amerikaners. Zwischen den späten 30er- und frühen 70er-Jahren spielte James Stewart fast nur anständige, tapfere und sympathische Filmfiguren. Der 1908 in Indiana, Pennsylvania geborene Stewart war mit seiner zögerlich, langgezogenen Sprechweise immer als das Landei aus dem mittleren Westen zu erkennen.

So ist die Komödie von Frank Capra „Mr. Smith goes to Washington“ von 1939, in dem er einen naiven Mann spielt, den zynische Politiker versuchen zu manipulieren, bis er glorreich gegen die Korruption ankämpft, einer der Filme, die schon sehr früh sein Image prägten. Das wurde in den 40er-Jahren so gefestigt, dass Stewart in den 50ern große amerikanische Idole wie Glenn Miller und Charles Lindbergh spielte.

Zur gleichen Zeit begannen zwei Regisseure, ihn als ambivalenten, neurotischen Charakter zu zeichnen. In Hitchcocks „Das Fenster zum Hof“ spielt er einen Voyeur und in „Vertigo“ einen Mann, der in eine Tote verliebt ist. Der Westernregisseur Anthony Mann ging noch weiter und definierte Stewart neu als einen egoistischen, rachsüchtigen und zu brutaler Gewalt fähigen Helden. So weit konnte er in Filmen wie „Winchester 73“ und „The Naked Spur“ nur gehen, weil sich niemand Stewart als einen Schurken vorstellen konnte.

Im Hamburger Metropolis Kino wird zwischen März und Mai eine Retrospektive mit 35 Filmen veranstaltet, in denen James Stewart die Hauptrollen spielt. Seine Filmografie umfasst über 80 Hollywoodproduktionen, die letzte war übrigens der Zeichentrickfilm „Feivel, der Mauswanderer im Wilden Westen“ von 1991, bei dem Stewart einem Hund seine Stimme lieh. Die Auswahl umfasst die meisten von Stewarts Hauptwerken mit Ausnahmen der Western von Anthony Mann, die zu schwierig zu beschaffen waren.

Die Filme werden in chronologischer Reihenfolge vorgeführt. Im März laufen acht Filme aus den Jahren 1938 bis 1946. In dieser Zeit spielte Stewart vor allem in Komödien. So etwa Capras „Mr. Smith goes to Washington“, der heute als politische Satire etwas verstaubt wirkt. Ein Jahr davor hatte Capra mit Stewart schon „You Can’t Take it with You“ gedreht, mit dem die Retrospektive am Mittwoch um 21.30 Uhr eröffnet werden wird. Das Vorbild für den Comic-Helden Lucky Luke war Stewart als Hilfssheriff in „Der große Bluff“ von 1939, in dem nur Marlene Dietrich als Bardame ihm gefährlich werden konnte.

In „The Mortal Storm“ von 1940, einem der wenigen antifaschistischen Filme Hollywoods aus der Zeit vor Pearl Harbour, spielt Stewart einen guten Deutschen, der Juden bei ihrer Flucht aus Deutschland hilft. Und in „Rendezvous nach Ladenschluss“, einer der schönsten Komödien von Ernst Lubitsch, ist er ein kleiner ungarischer Angestellter. In beiden Filmen war Margaret Sullavan seine Partnerin, die, wie der Filmhistoriker David Thomson sagte, die „Schüchternheit des jungen Stewart zum Leuchten brachte“. hip

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