Im „Fall“ Sawsan Chebli fragt sich Alke Wierth: Ist das eigentlich grundgesetzkompatibel?
: Huh! Sie hat Scharia gesagt!

Da kommt nun also eine Frau, die knapp zwei Jahre lang stellvertretende Sprecherin des Außenministeriums war und zuvor in der Berliner Innenverwaltung wertvolle Arbeit für die Integration von Muslimen geleistet hatte, als Staatssekretärin in die Landespolitik zurück – und muss sich Zweifel an ihrer Verfassungstreue gefallen lassen. Für die Arbeit auf Bundesebene hat diese offenbar gereicht – doch im piefigen Berlin sehen ein Vertreter der piefigen Landes-CDU und ein Exabgeordneter der ebenso piefigen SPD Neukölln durch Sawsan Chebli das Abendland gefährdet.

Nun liefert die Karriere der Politikwissenschaftlerin keinen Hinweis darauf, dass Chebli vorhat, das Grundgesetz auszuhebeln. Das „Vergehen“, auf dem die Vorwürfe beruhen, ist eine Äußerung in einem FAZ-Interview. Da habe die als Kind palästinensischer Flüchtlinge in Berlin geborene Muslimin gesagt – so ihre Kritiker –, die Scharia sei mit dem Grundgesetz kompatibel.

Das wäre ja eine gute Nachricht. Doch Chebli hat das so gar nicht gesagt. Sondern: „Scharia heißt auf Deutsch: Weg zur Quelle, also der Weg zu Gott. Sie regelt zum größten Teil das Verhältnis zwischen Gott und den Menschen. Es geht um Dinge wie das Gebet, um Fasten, um Almosen. Das stellt mich als Demokratin doch vor kein Problem im Alltag, sondern ist absolut kompatibel.“

Nun ist es bei öffentlichen Debatten über Religion meist völlig müßig, sie auf theologischer Ebene zu führen. Zum einen, weil es gerade das Geheimnis erfolgreicher Religionen ist, dass sie die Bettdecke sind, die nie zu kurz ist: Jeder, der will, kann seine Füße darunter wärmen, die Decke ist dehnbar genug für alle. Zum Zweiten, weil es darum gar nicht geht – besonders bei Debatten über den Islam. Da reicht das Wort Scharia, um Bilder abgehackter Körperteile zu evozieren und Stimmung zu machen.

Tatsächlich ist die Scharia kein Gesetzbuch, sondern eher ein Sammelbegriff für islamische Vorschriften. Dass diese zum großen Teil verfassungskompatibel sind, beweist das gesetzeskonforme Alltagsleben der meisten MuslimInnen. Drakonische Strafen wie Handabhacken fordern nur ein paar öffentlichkeitsgeile Spinner, die damit auf den gleichen Effekt setzen wie Islamkritiker, wenn sie „Scharia!“ rufen – wenn auch mit anderen Zielen.

Chebli, die sich von ihren KollegInnen wie KritikerInnen nur dadurch unterscheidet, dass sie Muslimin ist, gleiche Absichten zu unterstellen, ist lächerlich. Und, by the way: Ist das eigentlich verfassungskompatibel?