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Zeit für neue Denkmuster

Bildungsmesse Digitalisierung, Arbeitskräftemangel, Inklusion: Auf der didacta in Stuttgart werden zentrale gesellschaftliche Themen diskutiert. Als bislang unterschätztes Problem gilt die Rolle der Eltern bei der Berufswahl, sie sollten verstärkt eingebunden werden

von Mirko Heinemann

Klar, dass hier für Kinderbetreuung gesorgt ist. Eine Bildungsmesse sollte Wert darauf legen, dass auch Eltern ihren Messebesuch genießen können. So betreuen Pädagoginnen aus Filderstadt den Nachwuchs auf der didacta. Allerdings: Früh aufstehen ist Pflicht, denn hinter dem 20. Kind wird das Tor zum messeeigenen Kinder­garten geschlossen.

Dass die Bildungsmesse in diesem Jahr nach Stuttgart wandert, ist quasi Teil ihrer DNA. Die didacta ist eine Nomadin, sie findet abwechselnd in Köln, Hannover und alle drei Jahre eben in Stuttgart statt. Die laut Veranstalter „weltgrößte Fachmesse rund um Bildung“ stößt diesmal mitten in den Vorwahlkampf hinein, in dem unterschiedliche Bildungskonzepte abgeklopft und heiß diskutiert werden. Die Themenpalette bei den zahlreichen Foren reicht von der Integration von Zuwanderern über die Inklusion an Schulen bis hin zum Fachkräftemangel, der so manchem Wirtschaftsboss neue Denkmuster aufzwingt.

Schulen müssen sich etwa den Vorwurf gefallen lassen, ihre Zöglinge mangelhaft auf den Beruf vorzubereiten. Das ist zwar kein neues Thema, aber in der Tonlage schrill, seit die Unternehmen selbst auf der Suche nach Auszubildenden sind. Baden-Württemberg sieht sich ganz vorne, seit das CDU-geführte Kultusministerium ein neues Schulfach eingeführt hat: „Wirtschaft, Berufs- und Studienorientierung“. „Wir haben nun die Möglichkeit, noch stärker als früher die Verbindung zwischen Schule und Wirtschaft herzustellen“, freut sich Martin Frädrich von der Industrie- und Handelskammer (IHK) Stuttgart. Dazu setzt die IHK „Ausbildungsbotschafter“ ein. Das sind Azubis aus den Unternehmen, die in die Schulen gehen und über ihren Beruf und die duale Ausbildung informieren.

Ein bislang unterschätztes Problem, so Frädrich, sei die Rolle der Eltern bei der Berufswahl. Sie müssten verstärkt mit eingebunden werden, weil sie für die Berufsentscheidung der jungen Generation eine wichtige Rolle spielen. „Aber an die Eltern heranzukommen ist gar nicht so einfach.“ Künftig seien neue Beratungsangebote geplant, etwa offene Gesprächsrunden in sogenannten Eltern-Cafés, in denen Gespräche in „lockerer Runde“ stattfinden.

Der Fachkräftemangel sorgt auch an anderer Front für Diskussionsstoff: Wenn „jede und jeder gebraucht wird“, wie der Titel eines Forums suggeriert, dann müssten Arbeitgeber doch auch verstärkt inklusive Angebote machen. Dass trotz staatlicher Förderung Menschen mit Behinderung in der Arbeitswelt noch nicht recht angekommen sind, zeigt das aktuelle „Inklusionsbarometer Arbeit“ der Aktion Mensch. Danach sei das Klima gegenüber Menschen mit Behinderung zwar positiver geworden, aber: „Die Schere zwischen Arbeitslosen mit und ohne Behinderung geht weiter auseinander.“ Die Arbeitslosigkeit unter Menschen mit Behinderung liegt bei 13,4 Prozent, in der Gesamtbevölkerung bei weniger als der Hälfte. Hier seien vor allem Mittelständler, die über den Mangel an Nachwuchs klagen, gefragt.

Nicht fehlen darf natürlich das Thema Digitalisierung, das die Bildung genauso nachhaltig umkrempelt wie alle anderen Bereiche des Lebens. Das beginnt bei der Frage, wie Kinder den Umgang mit dem Internet lernen sollen, führt über die Digitalisierung der Schulen und digitale Lernangebote bis hin zu den künftigen Treibern der Digitalisierung selbst. IT-Fachkräfte gehören zu den derzeit gefragtesten Spezies auf dem Arbeitsmarkt. Dabei werben die Unternehmen längst auf einem globalen Arbeitsmarkt um Spezialisten. Dank Donald Trumps neuer Abschottungspolitik kann Europa sich nun Hoffnungen machen, dass künftig mehr davon an Gestaden diesseits des Atlantiks angespült werden.

Das wäre wohl dringlich geboten, denn das Bundesinstitut für Berufsbildung betont: „Wirtschaft 4.0 wird die Produktion entlang der gesamten Wertschöpfungskette verändern. Dies wird veränderte Aufgaben und neue Qualifikationsanforderungen auch für viele Beschäftigte der IT-Berufe nach sich ziehen.“ Künftig würden insbesondere Kompetenzen in den Überschneidungsbereichen von Informatik, Betriebswirtschaft, Kommunikation und Mediengestaltung weiter an Bedeutung gewinnen. Wie die immer stärkere Durchdringung der IT in alle Berufe aussehen wird, ist genauso Thema auf der Messe wie die Frage nach den Inhalten „zwischen Bildungsanspruch und digitalem Gedaddel“. Ein Zwischenfazit vorab: Es geht längst nicht mehr darum, die Digitalisierung anzunehmen und zu verstehen, sondern darum, sie mitzugestalten. Wie das in der Praxis aussehen kann, das wird sich auf der didacta sicherlich trefflich diskutieren lassen.

didacta – Die Bildungsmesse: 14. bis 18. Februar 2017, Messe Stuttgart, www.messe-stuttgart.de/didacta/

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