Machtkampf bis aufs Blut

NATIONALKONSERVATIVE In Niedersachsens AfD tobt hasserfüllter Streit: Anhänger von Parteichef Armin-Paul Hampel ergehen sich in Vernichtungsfantasien, seine Kritiker wollen ihn auf keinen Fall im Bundestag sehen

Umstrittener AfD-Landeschef von Niedersachsen und Ex-Fernsehmann: Armin-Paul Hampel Foto: Philipp von Ditfurth/dpa

von Andreas Speit
und Andreas Wyputta

Die Mail, mit der Uwe Wappler, der Ex-Vorsitzende des AfD-Kreisverbandes Osterholz/Verden, um Unterstützung beim Sturz seines Nachfolgers Thorben Freese bat, trieft vor Hass: Den „Karnickelfangschlag“ wolle er Freese versetzen, heißt es in dem Schreiben an AfD-Landesparteichef Armin-Paul Hampel und weitere Mitglieder des niedersächsischen AfD-Landesvorstandes. In der Jägersprache bedeutet das die sofortige Tötung eines Tieres per gezieltem Schlag.

Dazu wolle er „Freese unter Druck setzen, damit er weitere Fehler macht“, tönte Wappler unter dem Betreff „Operation Trappenjagd“ – dem Decknamen für einen Angriff von Hitlers Wehrmacht an der Ostfront im Sommer 1942. Der Kreisvorsitzende müsse von der Basis isoliert, zum Rücktritt gezwungen oder bei einem Sonderparteitag abgewählt werden: „Dabei Mittäter aussondern und Mitläufer für 2 Jahre ins ‚Abklingbecken‘“, heißt es in der Mail, die der taz vorliegt.

In einem Schreiben an Freese persönlich wurde Wappler noch deutlicher. „Ihr seid wie Aussätzige. In der AfD Niedersachsen ist es mit Dir persönlich zu Ende“, heißt es darin. „Du hat die Wahl: Jetzt zurücktreten, dann werden wir das schweigend zur Kenntnis nehmen. Oder ich trete Dich zurück.“

Dabei illustrieren Wapplers Wutmails das Klima in Niedersachsens AfD nur schlaglichtartig. In der Partei stehen sich Anhänger und Gegner des Landesvorsitzenden Armin-Paul Hampel unversöhnlich gegenüber. Kritiker bezeichnen den einstigen ARD-Fernsehjournalisten wahlweise als „faul“, „desorganisiert“, oder „nur an seiner eigenen Karriere orientiert“: Der Mann aus Amelinghausen in der Lüneburger Heide, dessen Machtbasis sich auf den Osten Niedersachsens und die Landeshauptstadt Hannover konzen­triert, habe in seiner dreijährigen Amtszeit „kein einziges landespolitisches Thema“ besetzt, sagt einer – und klagt über „Einbruchsserien“ ebenso wie über die „fehlende Präsenz der Polizei gerade auf dem Land“.

Andere glauben, Hampel habe der Partei mit seinem Auftritt beim „Arbeitskreis für deutsche Politik“ im November geschadet – Schleswig-Holsteins Verfassungsschutz führt den Verein unter dem Merkmal „rechtsextreme Bestrebungen“. Und fast alle Kritiker eint der Eindruck, der einstige Fernsehmann, dem immer mal wieder finanzielle Schwierigkeiten nachgesagt werden, wolle seinen Landesverband nur als Sprungbrett für eine zweite Karriere als Bundestagsabgeordneter nutzen.

In der AfD tobt deshalb seit Monaten ein erbitterter Machtkampf: Kreisverbände vor allem aus dem Norden und Westen Niedersachsens wollen Hampels Karrieresprung nach Berlin um jeden Preis verhindern. Die Aufstellung der Bundestags-Wahlliste am vergangenen Samstag geriet damit beinahe zur Farce: Elf von Gegnern des Landeschefs dominierte Kreisverbände hatten zunächst durchgesetzt, unmittelbar vor der Listenaufstellung einen Sonderparteitag abzuhalten. Thema sollte die mangelhafte inhaltliche Arbeit des Landesvorstandes sein. Das Kalkül der Kritiker: Nach heftiger Diskussion könne Hampel abgewählt werden – und danach müsse der knapp 60-Jährige seinen Traum von Platz eins der Bundestagswahlliste wohl vergessen.

Doch die Gegner des Landesvorsitzenden, die etwa aus Ostfriesland, Stade, Osnabrück und eben Osterholz/Verden stammen sollen, hatten die Rechnung ohne das Parteiestablishment gemacht. Zwei der elf Kreisverbände zogen ihren Antrag zurück. Der Sonderparteitag fiel aus. In einem Schreiben an alle Parteimitglieder hatte Hampel zuvor mit sieben weiteren Landesvorstandsmitgliedern gewarnt, im Auftrag der „Altparteien“ solle die niedersächsische AfD „von innen gesprengt“ werden. Als „U-Boot“ benannt wurde der stellvertretende Stader Kreisparteivorsitzende Lars Seemann – schließlich sei der Polizist.

Einen Antrag auf Streichung der Listenaufstellungsversammlung wegen nicht fristgerechter Einladung konnte Hampels Truppe mit Hilfe des Bundesschiedsgerichts der Partei abwehren – das niedersächsische Landesschiedsgericht hatte zuvor die Kritiker gestärkt.

Wenn Sonntag Bundestagswahl wäre, würden sich laut Umfragen aus diesem Jahr zehn (Forsa) bis zwölf (Infratest, Insa) Prozent der WählerInnen für die selbsternannte Alternative für Deutschland entscheiden.

In Niedersachsen kommt die AfD dagegen deutlich schlechter an: Zwischen Küste und Harz liegt die Partei zwischen sieben (Forsa) und acht (Infratest) Prozent.

Auch bei der niedersächsischen Kommunalwahl im September war für die AfD bei 7,8 Prozent Schluss.

Für die schlechten Ergebnisse machen Kritiker nicht nur die Chaostage vor der Listenaufstellung zur Bundestagswahl, sondern auch die Angst der Partei vor der Öffentlichkeit verantwortlich: Selbst Landesparteitage fanden wie zuletzt im September 2016 im Geheimen statt.

Bei der Listenaufstellung gelang Hampel deshalb der Durchmarsch. Dabei hatte er noch im November geklagt, manche seiner Parteifreunde wünschten ihn „in einen Teppich gerollt neben der Autobahn verscharrt“.Der nationalkonservative brandenburgische AfD-Landeschef Alexander Gauland machte mit latent xenophoben Sprüchen über „Zigeunerbarone“ und „Sinti-Fürsten“ Stimmung. Danach wurde Hampel von den rund 400 anwesenden Parteimitgliedern auf Platz eins der Liste gehievt. Auch auf den weiteren Plätzen folgen Hampel-Getreue, darunter auf Platz vier der ultrakonservative 76-jährige Vertiebenenfunktionär Wilhelm von Gottberg.

Seither hagelt es Rücktritte von Hampel-Kritikern: Wahlkampfmanager Jens Krause steht der Partei nicht mehr zur Verfügung, ebenso wenig wie Hampels Ex-Stellvertreter Jens Wilharm aus Rinteln. Zuvor war bereits der gesamte ostfriesische Kreisvorstand abgetreten. Und die verbliebenen innerparteilichen Oppositionellen kündigen an, nicht zur Fortsetzung der Listenaufstellung an diesem Samstag nach Hannover kommen zu wollen. „Ich erwarte keine Konflikte am kommenden Wochenende“, sagte Hampel der taz.

Seine Gegner kündigen dagegen schon heute an, wegen der nicht fristgerechten Einladung vor den parteieigenen Schiedsgerichten gegen die Kandidatenkür klagen zu wollen. „Wenn wir damit keinen Erfolg haben sollten, müssen wir eben die ordentliche Justiz bemühen und vor Zivilgerichten klagen“, sagt einer.

Offen bleibt das Rennen auch für den hasserfüllten Hampel-Mann Wappler. Entsetzt von dessen Drohmails an den Kreisvorsitzenden Freese hat sich die Verdener Kreistagsfraktion gegen den Oberstleutnant der Reserve gestellt: „Es ist für die Partei und insbesondere für Wappler selbst das Beste“, heißt es in einer Erklärung der Abgeordneten, „wenn er die Partei verlässt.“