piwik no script img

Übersetzungsarbeit und Selbstkritik

Film In Saarbrücken wurde der Max-Ophüls-Preis verliehen. Dass dies während eines Nachwuchsfilmfestivals geschah, fiel nicht auf

„Siebzehn“-Darstellerin Wabitsch Foto: dpa

In Saarbrücken wurde in diesem Jahr Übersetzungsarbeit geleistet. „Die Migrantigen“ von Arman T. Riahi, der Spielfilmwettbewerbsbeitrag aus Österreich, der den Publikumspreis gewann, knöpfte sich die beiden Wiener Benny (Faris E. Rahoma) und Marko (Aleksandar Petrovic) vor.

Zufall wie auch Geldnot veranlassen die Freunde, in einem sensationslüsternen Realityfernsehformat mitzuspielen, wo sie sich als Kleinkrimelle in den Wiener „Ausländerbezirken“ inszenieren. Eine mehrfach gefaltete Satire, recht flott und anfänglich schön böse, die sich schließlich aber selbst bekehrt und in den nach Schauergeschichten gierenden Medien einen Übeltäter auszumachen weiß.

Die Finger auf die eigene Brust richtete hingegen Franziska M. Hoenischs „Club Europa“, ausgezeichnet mit dem „Preis für den gesellschaftlich relevanten Film“. Er beschränkt sich auf das Zeigen irgendeiner in Berlin existenten Wohngemeinschaft, die abgekapselt vom Stadtgeschehen (99 Prozent des Films spielen in geschlossenen Räumen) ein Experiment wagt, das eigentlich nur richtig sein kann: Sie nehmen einen Flüchtling auf.

Das leerstehende Zimmer mit der Omatapete wird von Samuel (Richard Fouofié Djimeli) bezogen, die Miete übernimmt das Amt. Zunächst gestaltet sich das Zusammenleben wenig dramatisch, einmal abgesehen davon, dass Samuel seine Gerichte schärfer würzt als es der Vater von Hauptmieterin Martha (Sylvaine Faligant) verkraften kann und einigen anderen Kleinigkeiten.

Dennoch passiert im Verlauf von „Club Europa“ etwas Spannendes, zeigt Hoenisch doch gerade die Selbstüberschätzung der WG, der es trotz allen Engagements eben nicht gelingt, die mannigfaltigen Unterschiede zwischen sich und dem neuen Mitbewohner zu überbrücken. Zu groß etwa scheint die Kluft zwischen Samuel und Jamie (Artjom Gilz), die sich zwar darauf verständigen können, Gefallen an weißen Turnschuhen zu finden – doch wo Jamie das Paar Schuhe ohne großes Nachdenken kauft, investiert Samuel das Geld, welches er eigentlich an seine Familie in Kamerun schicken wollte.

Es sind keine sehr überraschenden Szenen, die in „Club Europa“ zu sehen sind, vielmehr ereignet sich alles ziemlich alltäglich und unspektakulär. Trotzdem wird nach und nach deutlich, dass Samuel keinen Zutritt zu diesem Club hat. Beiden, Riahi und Hoenisch, gelingt das Transportieren dieser gar nicht so einfachen Inhalte aufgrund einer Geschichte, die gut gebaut ist und die relativ flüssig ablaufen kann.

Dass man es beim Max-Ophüls-Preis dabei noch immer mit einem Nachwuchsfilmfestival zu tun hat, ist anhand dieser beiden Filme nicht auszumachen. Auch nicht an Monja Arts wunderbarem „Siebzehn“, Gewinnerfilm in Saarbrücken, der vom Erwachsenwerden in der österreichischen Provinz erzählt. Unfertigere, aber nicht minder mutige Filme geraten da schnell aus dem Blickfeld.

„Die Körper der Astronauten“ von Alisa Berger war zum Beispiel so ein Film, der sowohl narrativ als auch visuell viel riskierte und sich damit nicht immer einen Gefallen tat. Bergers Abschlussfilm an der Kunsthochschule für Medien Köln ist das Porträt einer Familie, das mit einer schrillen und überladenen Feier anlässlich des Abiturs des Zwillingspaars Linda (Zita Aretz) und Anton (Béla Gabor Lenz) beginnt – eine Momentaufnahme, dicht gedrängt und beinahe beklemmend – und in dessen Verlauf die einzelnen Familienmitglieder immer weiter ­auseinandergleiten. Wie Astronauten schweben dann alle dahin, wobei Berger insbesondere Linda immer näher zu kommen sucht, streckenweise guckt sich der Film so an, als läge die Kamera direkt auf ihrer Haut. Auch das ist eine Art der Übersetzung, wenn auch eine ganz andere. Carolin Weidner

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen