heute in hamburg: „Ein grausames Massaker“
Theater Im Polittbüro lesen Schauspieler aus Dokumenten über SS-Verbrechen in Griechenland
taz: Herr Krüger, sollte Deutschland griechische NS-Opfer entschädigen?
Jan Krüger: Ja, natürlich. Das ist die Kernaussage von unserem Theaterstück. Seit 1945 unternehmen die deutschen Regierungen alles, damit Deutschland keine Schuld zugewiesen bekommt.
Die Geschichte des Stücks beginnt am 10. Juni 1944. Was ist damals passiert?
Das ist der Tag eines schrecklichen SS-Verbrechens in dem Dorf Distomo. Die SS hat dort mit unglaublicher Brutalität alle, die nicht fliehen konnten, ermordet. Natürlich war Distomo nicht der einzige Ort, der überfallen wurde, aber dort fand eines der grausamsten Massaker statt.
Warum holt sich das Polittbüro ausgerechnet dieses Thema auf die Bühne?
Es stehen einfach noch sehr viele offene Fragen im Raum. Und um das wieder auf die Agenda zu bringen und publik zu machen, führen wir dieses Stück auf. Und es soll auch die Forderung der Opfer nach einer Entschädigung verstärken.
Aber warum genau zahlt Deutschland nicht?
Eigentlich ist das einfach zu beantworten. Aus Sicht der deutschen Regierungen geht es darum, die Forderungen abzuwehren und Deutschland „schadenfrei“ zu halten. Es hätte weitreichende Folgen, wenn sich die Opfer oder deren Nachfahren durchsetzen könnten. In Griechenland sind Massen von Orten auf diese Art vernichtet worden – das kann Deutschland gar nicht bezahlen. Und wenn doch, dann wäre das eine sehr hohe finanzielle Belastung. Aber mittlerweile geht es den Betroffenen, die heute noch leben, gar nicht mehr um das blöde Geld.
Worum denn dann?
Es muss erst einmal ein Schuldeingeständnis vonseiten Deutschlands geben. Es wird immer nur pauschal gesagt: „Ja, wir haben Schlimmes getan.“ Aber nie wird thematisiert, dass Deutschland von der Besatzung Griechenlands und den Gräueltaten profitiert hat.
Und wie setzen die Schauspieler das Thema um?
Das Theaterstück ist als szenische Lesung konzipiert. Das heißt, die Schauspieler lesen aus Originaltexten. Aber sie werden nicht über die Bühne hüpfen und die Geschichte nachspielen.
Nennen Sie Namen von Tätern?
Ja, auf jeden Fall. Die sind ja Teil des Ganzen.
Interview: Frederike Lindemann
Dokumentarisches Theaterstück: „Distomo – unbeglichene Schuld(en)“, 20 Uhr, Polittbüro, Steindamm 45, Eintritt zehn Euro
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