piwik no script img

Weg von der schwarzen Wand

Comeback Eine schwere Verletzung half dem österreichischen Skispringer Gregor Schlierenzauer, seinen Burnout zu überwinden. Nun startet er beim Weltcup in Wisla

Will das Fliegen genießen: Gregor Schlierenzauer hat während seiner Pause das Sportlerleben wieder schätzen gelernt Foto: reuters

Von Klaus-Eckhard Jost

Die Skispringer setzen am Wochenende ihre Weltcup-Reise in Wisla fort. Ausgerechnet Wisla. Für den Tourneesieger Kamil Stoch und den Zweiten Piotr Zyla wird dies sicher mit seinen skisprungverrückten Landsleuten ein triumphales Springen in der Heimat.

Gut für einen anderen Springer, dass er bei dieser Euphorie ein wenig im Hintergrund bleiben kann. Denn nach mehr als einem Jahr Pause kehrt Gregor Schlierenzauer wieder zurück. „Meine Mission im Spitzensport ist noch nicht zu Ende“, sagt der Österreicher. Dabei hat der 27-Jährige schon fast alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt. Zweimal holte er sich den Gesamt-Weltcup, zweimal triumphiert er bei der Vierschanzentournee, sechsmal gewann er WM-Gold im Skispringen und viermal beim Skifliegen. Lediglich ein Olympiasieg fehlt noch. „Es ist kein Geheimnis, dass die Olympischen Spiele ein Thema sind“, sagt Schlierenzauer, „und auch die Weltmeisterschaft 2019 in Seefeld haben dazu beigetragen, dass ich weitermache.“

Vor einem Jahr hat ihn Trainer Heinz Kuttin bei der Vierschanzentournee als Schutzmaßnahme aus seinem Team genommen, nachdem dieser als 33. den zweiten Durchgang verpasst hatte. Bereits vor der Tournee hatte er mehrere Springen ausgelassen. Die Symptome deuteten auf ein Burnout.

Mittlerweile hat Gregor Schlierenzauer wieder richtig Lust aufs Skispringen. Die blitzenden Augen, mit denen er beim Tournee-Abschlussspringen in Bischofshofen über die Schanzenanlage lief, waren ein deutliches Zeichen. Zehn Jahre hatte er ein streng durchgetaktetes Leben mit Wochen-, Monats- und Jahresplänen. Er fühlte sich wie im Hamsterrad. „Auf einmal hatte ich nichts mehr“, erzählt er, „da denkt man sich schon: Was mache ich jetzt. Was kann ich? Wer bin ich? Was will ich? Was gibt mir Energie?“

In jungen Jahren war dies das Skispringen. Und die Erfolge. Mit 16 Jahren gewann er in Lillehammer sein erstes Weltcupspringen. Weitere 52 Siege folgten. So häufig hat kein anderer Skispringer gewonnen. Der letzte Sieg gelang ihm wieder in Lillehammer, am 6. Dezember 2014.

So häufig wie Schlierenzauer hat kein anderer Skispringer gewonnen

Er habe, sagt Schlierenzauer ohne Bitternis, dem Erfolg viel geopfert. Vor allem das normale Leben eines Teenagers. Bereits 2013 habe er das erste Mal ans Aufhören gedacht. Doch ein Jahr vor den Olympischen Spielen in Sotschi hat er den Gedanken schnell wieder verdrängt. Bis ihm die Auszeit aufgedrängt wurde. „Ich hatte eine Sinnkrise, ich saß vor einer schwarzen Wand“, gesteht er jetzt. Denn zusätzlich zu seinen Motivationsproblemen zog er sich Ende März beim Heliskiing noch einen Kreuzbandriss zu. „Ich lag im Tiefschnee, mir war schlecht vor Schmerzen – und ich fragte mich: Wieso ich?“, erzählt er: „Neun Monate später bin ich dankbar für das, was geschehen ist.“ Denn durch diese Verletzung hatte er genügend Zeit sich ausführlich Gedanken zu machen. Und sein Leben zu sortieren.

Dazu gehörten auch diverse Veränderungen in seinem Umfeld. Das Management wechselte von seinem Onkel Markus Prock, dem ehemaligen Weltklasserodler, zu Hubert Neuper, einem Exskispringer. In Salzburg absolvierte er eine Ausbildung zum Mentaltrainer und machte die erste Stufe zum Sprungtrainer. Zuerst kehrte Österreichs Nationalheld deswegen als Praktikant ans Skigymnasium in Stams zurück, im Herbst trainierte er mit den 14- bis 16-jährigen Nachwuchsspringern. „Ich habe das unverbrauchte Arbeiten mit den Jungen genossen und eine Menge Spaß gehabt“, erzählt er. Mittlerweile hat er in Seefeld, Innsbruck und Garmisch-Partenkirchen wieder die ersten Sprünge mit seinen Kollegen aus dem Weltcupteam absolviert. „Jetzt ist es an der Zeit, mich im Wettkampf zu beweisen. Ich möchte dort meine Trainingsleistungen abrufen und sehen, wo ich mich damit einordnen kann“, sagt der Innsbrucker vor seinem Comeback. Trainer Kuttin nimmt Druck raus: „ Er hatte eine schwere Verletzung und eine irrsinnig lange Wettkampfpause.“

Eines ist sicher: Gregor Schlierenzauer wird seine Rückkehr in Wisla genießen. In vollen Zügen. Denn eines habe der Überflieger in den vergangenen Monaten auch erkannt, dass das Leben als Sportler ein riesiges Privileg ist.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen