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Im Schnee festgefahren

Ukraine Eine Kältewelle und dicke Schneemassen legen den Verkehr vielerorts lahm. Die Polizei muss Hunderte aus ihren Autos bergen. Im Osten ist es etwas wärmer

In Kiew am vergangenen Wochenende Foto: Valentyn Ogirenko/reuters

Aus Kiew Bernhard Clasen

Diese Nacht werden die Geretteten wohl nie vergessen. Bereits am Nachmittag waren sie bei minus 17 Grad von einem Schneesturm überrascht worden. Auch die Traktoren, die sich auf den Weg zu den über Hundert eingeschlossenen Fahrzeugen gemacht hatten, steckten zunächst in den weißen Massen fest.

Wer konnte, meldete sich über Facebook oder per E-Mail – bis der Akku leer war: „Meinst du, ich kann es zu Fuß schaffen bis zum Dorf Cholmske?“, fragte Irina Solotarewa um ein Uhr in der Nacht zum Samstag. Nein, antwortete ihre Freundin: „Der Wind ist so stark. Du schaffst es nicht einmal zum nächsten Auto.“ Ein Alexander schrieb, er habe es bis zum Lkw, der den Schnee räumen sollte, geschafft. „In meinem Auto ist kein Benzin mehr, der Akku ist leer. Aber der Lastwagen hier kommt auch nicht mehr weiter.“

Die beiden Facebook-Nutzer gehörten zu mehr als 200 Menschen, deren Fahrt am Wochenende auf der Fernstraße Ismail–Reni in Bessarabien in den Schneemassen endete. Erst am späten Samstagnachmittag konnten sie befreit werden. Die meisten sind inzwischen notdürftig in Kindergärten, Privatwohnungen und Schulen der Dörfer Kirnichki und Cholmske untergebracht.

Sie haben noch Glück im Unglück gehabt. 40 Menschen sind in der Ukraine seit dem Kälteeinbruch vergangene Woche und den starken Schneefällen ums Leben gekommen – durch Unfälle und Erfrierungen. Allein am 8. Januar barg die Polizei landesweit 984 Personen aus gestrandeten Autos. Besonders dramatisch ist die Lage in der Westukraine und im Süden. Im Gebiet Odessa und in Bessarabien waren 38 Dörfer mehrere Tage von der Stromversorgung abgeschnitten.

In Lemberg im Westen des Landes fielen seit dem Wochenende 80 Prozent der Busse aus. Mindestens drei Menschen erfroren hier. Und in der Nähe des Karpaten-Dorfes Dilove war die Verbindungsstraße stundenlang durch herabstürzenden Schnee blockiert. Im Gebiet Iwano-Frankiwsk riefen die Behörden Lawinengefahr aus.

Gleichzeitig ist man in der Bevölkerung angenehm überrascht über den mancherorts gut organisierten Einsatz der Rettungskräfte und der städtischen Behörden: Verwundert rieb sich der Korrespondent der taz in Kiew die Augen, als am Sonntagmorgen um 7 Uhr plötzlich sieben Polizisten und städtische Angestellte vor seiner Tür standen. „Wir sehen, dass Ihre Heizung seit zwölf Stunden nicht mehr funktioniert. Wir arbeiten daran und versichern Ihnen, dass Sie noch heute Vormittag wieder im Warmen sitzen werden“, erklärten ihm die Beamten. Erstaunlich! Bisher musste man immer den Behörden hinterhertelefonieren, wenn die Heizung wieder einmal ausgefallen war.

Besonders dramatisch ist die Lage in der Westukraine und im Süden des Landes

Überhaupt nicht von Schneestürmen und Kälteeinbruch betroffen ist hingegen die Stadt Lugansk im Osten. „Bei uns taut es tagsüber“, erklärte Tatjana, Sekretärin eines Kohlewerks, der taz am Telefon. Jetzt kämen bei dem Schnee immer mehr Tiere in die Stadt. Elche, Fasane, Rebhühner und Wildschweine habe man schon gesehen. Die Tiere scheuten sich nicht mehr, in der kalten Jahreszeit in der Stadt auf Nahrungssuche zu gehen.

Auch für die nächsten Tage rechnet man mit weiteren Schneefällen. In den Medien klären unterdessen Ärzte die Bevölkerung über die Gefahr von Erfrierungen auf – und die Möglichkeit, sich zu schützen.

Die Polizei warnt derweil vor einem neuen Trick von Autodieben: Die lenkten Fahrer ab, die bei laufendem Motor ihren Wagen vom Schnee befreiten. Und ehe die Besitzer sich versähen, sei ihr Wagen weg.

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