: Stabiler als gedacht
FINANZEN Statt die Obergrenze der Neuverschuldung zu überschreiten, bleibt Bremen 2016 rund 50 Millionen Euro drunter. Damit bleibt es auf dem Sanierungspfad
von Benno Schirrmeister
Anders als erwartet hält Bremens Haushalt 2016 die Vorgaben der Sanierungsvereinbarung ein, ohne von deren Ausnahmeregelung Gebrauch zu machen. Das teilten am gestrigen Donnerstag Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) und Finanzsenatorin Karoline Linnert (Grüne) mit. „Wir sind überzeugt, dass das im Wesentlichen auf unserer Haushaltsdisziplin beruht“, so Linnert. „Eine erfreuliche Grundlage, um ins Haushaltsjahr 2017 einzusteigen“ nannte Sieling das Ergebnis.
Tatsächlich ist es ein Coup: Denn damit ist auch der letzte Rest der Aufregung vom Sommer endgültig verdampft: Noch im Juni hatte es mächtig gewittert in der Bürgerschaft. Die FDP hatte behauptet, die Koalition habe mit ihrer Budgetplanung die 300 Millionen Euro Sanierungsbeihilfe verzockt, die dem Land jährlich laut Grundgesetz zustehen, wenn es auf dem Sanierungspfad bleibt. Und gemeinsam mit den Rechtspopulisten hatte die CDU neben der Landesbankpleite den drohenden Anstieg der Neuverschuldung zum Vorwand für ihr Misstrauensvotum gegen Linnert genommen. Um 300 Millionen Euro die erlaubte Kreditaufnahme zu überschreiten, hatte die Bürgerschaft Linnert genehmigt.
Über die vermeintliche Verfassungswidrigkeit des rot-grünen Zahlenwerks hatte sich die CDU echauffiert, wobei die Wut der Christdemokraten viel an Glaubwürdigkeit dadurch eingebüßt hatte, dass sie bei den Haushaltsberatungen nicht einen einzigen eigenen Antrag formuliert hatten. Und zudem unkte man, der Senat werde im Stabilitätsrat Schiffbruch erleiden.
Alles Versuche, die Regierung zu destabilisieren. Doch dann war das Misstrauensvotum krachend gescheitert. Für eine Klage vorm Staatsgerichtshof fehlte es der CDU an Energie. Und der Stabilitätsrat forderte bloß „weitere Maßnahmen“. Im Dezember dann bestätigte das Schuldenbremsenkontrollgremium, in dem die Chefs aller deutschen Finanzressorts sitzen, dass Bremens im September nachgemeldeten Sparbemühungen diese Forderung erfüllt hätten. Und jetzt kommt’s nicht mal mehr zum echten Showdown. Um 350 Millionen steht das Land besser da, als im Juni erwartet. Das sei „das Werk aller Mitglieder des Senats“, betonte Sieling.
Damit erfüllt Bremen offenkundig die Voraussetzung für die Zahlung von 300 Millionen Euro Sanierungsbeihilfe. Im anderen Fall wäre das so klar nicht gewesen: Zwar ist vorgesehen, dass „außergewöhnliche Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staats entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen“ das Neuverschuldungsverbot außer Kraft setzen können. Und „dies ist angesichts der erheblichen Auswirkungen der gegenwärtigen Zuwanderung der Fall“, hatte der Münchner Finanzverfassungsrechtler Stefan Korioth dem Senat bestätigt.
Das Bundesfinanzministerium hatte indes signalisiert, sich dieser Definition nicht kampflos zu beugen. Und auch, wenn Sieling gestern bloß von einem „kleinen Fight, der nun vermieden wird“, sprach – auszutragen wäre der vor dem Bundesverfassungsgericht gewesen. Und mit seiner Argumentation hätte Bremen dort Rechtsgeschichte geschrieben.
„Alle, die geschrien haben, Bremen kann nicht mit Geld umgehen, sind Lügen gestraft“, so Sieling gestern. Dass man ein wenig Glück brauche, relativierte allerdings Linnert: Als Hauptgründe für den Erfolg gelten, dass die Ausgaben für Übergangswohnheime infolge stark sinkender Flüchtlingszahlen niedriger ausfielen: Statt 8.000 kamen rund 3.200. Zugleich lagen die Einnahmen höher – auch weil Bremen 2015 überproportional viele Flüchtlinge aufgenommen hatte und dafür noch Geld vom Bund bekam.
Zudem wurde das Budget für 2016 erst im Juni verabschiedet, und „eine haushaltslose Zeit behindert das Geldausgeben“, so Linnert. Personaleinstellungen wurden dadurch verschoben. Bremerhaven indes hat es trotz ähnlicher Rahmenbedingungen nicht geschafft, sein strukturelles Defizit im vorgesehenen Maße zu verringern. Trotzdem erhalte die Seestadt ihren Teil der Sanierungsbeihilfe, versicherte Sieling. „Wir sind ja kein Flächenstaat, der seine Kommunen im Stich lässt.“
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