Portrait: Die Tigerflüsterin
Natürlich ist Dassow nicht so kalt wie Sibirien. Heiß ist es dem sibirischen Tigerbaby Elsa in Mecklenburg-Vorpommern trotzdem nicht. Denn sie ist in Norddeutschland geboren und wird dort gepäppelt. Zurzeit im Wohnhaus der Tigerpark-Betreiberin Monica Farrell, die das verwaiste Tier im November vom Rügener Veterinäramt übernahm.
Das Zimmer eines der beiden Söhne hat die Familie dafür umgebaut. Hat die Heizung abmontiert, damit Elsa nicht reinbeißt, das Fenster vermauert, damit sie nicht rausspringt. Noch ist Elsa zwar mittelstark und pflegeleicht. Aber irgendwann wird sie erwachsen und nicht mehr brav am Strand Gassi gehen. „Man darf nie vergessen, dass das ein Raubtier ist“, sagt Monica Farrell.
Sie muss es wissen, denn sie entstammt einer Dompteursfamilie: Jahrzehntelang trat ihr Vater mit Löwen- und Tigerdressuren im Zirkus auf. Irgendwann kam die Idee, Panther auf Pferden – ihren Beutetieren – reiten zu lassen. Es funktionierte, die Nummer wurde eine Sensation, Farrell wollte das auch.
„Mit 16 bin ich zum ersten Mal mit schwarzen Panthern aufgetreten“, erzählt die 57-Jährige, und man hört am Telefon, wie ihre Augen leuchten. Im Zirkus Sarrasani hat sie gearbeitet, später im Zirkus Krone. Schweren Herzens wurde sie sesshaft, als ihre Söhne geboren wurden.
Aber Farrell, munter und pragmatisch, fand bald Ersatz in Dassow, wo die Familie 2003 einen Tigerpark eröffnete. Täglich trainieren die Farrells dort 13 Tiger und fünf Löwen, um den Besuchern mehr zu bieten als träge herumlungernde Raubkatzen. „Die Tiere schätzen es, sich sinnvoll zu beschäftigen“, sagt Monica Farrell. Das Springen auf Kommando etwa trainiere Muskulatur und Verstand. „Dass es ihnen dabei gut geht, sehe ich an ihrem Blick und der entspannten Körperhaltung“; sagt sie.
Sicher, ein „Restrisiko“ bleibe: „Unfälle passieren, wenn man den Moment verpasst, in dem das Tier erwachsen wird und den Raubtiertrieb entdeckt“, sagt Farrell. „Ich hoffe sehr, dass ich das bei Elsa rechtzeitig bemerke.“ Damit ist nicht des Tigers Umzug aus dem Zimmer ins Gehege gemeint. Sondern Monica Farrells enge Bindung. „Aber ich habe ja meinen Vater, der mir dann sagt: Moni, jetzt muss du langsam aufpassen.“ PS
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen