Migrationspolitik in der Schweiz: Doch keine Obergrenze

Vor fast drei Jahren hat über die Hälfte der Schweizer für eine striktere Migrationspolitik gestimmt. Seitdem feilt die Regierung an einem entsprechenden Gesetz.

Ein Traktor fährt auf einer Straße. Am Rand hängt ein Schild, auf dem "Masslosigkeit schadet - Ja zu Masseneinwanderung stoppen" steht

Mit derlei Slogans wurde in der Schweiz für das Referendum im Feburar 2014 geworben Foto: dpa

BERN dpa | Ohne Obergrenzen und Kontingente: Fast drei Jahre nach der Volksabstimmung gegen „Masseneinwanderung“ hat sich die Schweiz für eine moderate Umsetzung der Initiative entschieden. Das Gesetz verzichtet aus Rücksicht auf EU-Prinzipien auf die ursprünglich geforderten jährlichen Höchstzahlen für ausländische Arbeitskräfte. Stattdessen sollen Arbeitsämter bei der Regulierung helfen. Die nationalkonservative Schweizerische Volkspartei (SVP) bezeichnete das Gesetz als „Kapitulation vor der EU“. Sie hatte die Volksabstimmung 2014 mitinitiiert. Die SVP drohte mit einem neuen Referendum.

Brüssel hatte mehrfach deutlich gemacht, dass eine Einschränkung der Personenfreizügigkeit als Verletzung gegen das Gesamtpaket der bilateralen Verträge angesehen werde. Dieses garantiert nicht nur allen EU-Bürgern die freie Wohnsitz- und Arbeitsplatzwahl in der Schweiz und umgekehrt. Das Abkommen regelt auch den Zugang zum EU-Binnenmarkt, der bei einem Verstoß ebenfalls auf dem Spiel stehen würde. Mehr als die Hälfte der Schweizer Exporte gehen in die EU.

Das Gesetz gehe in die richtige Richtung, sagte ein Sprecher der EU-Kommission am Freitag in Brüssel. „Es ist ein gutes Zeichen, dass das Gesetz keine Quoten für die Personenfreizügigkeit europäischer Bürger auferlegt und ihren Zugang zum Arbeitsmarkt in der Schweiz nicht begrenzt.“ In den nächsten Tagen will die Kommission das Gesetz noch weiter prüfen und mit den EU-Staaten besprechen.

Mit einer knappen Mehrheit von 50,3 Prozent hatten die Schweizer im Februar 2014 für die „Masseneinwanderungsinitiative“ gestimmt. Drei Jahre wurden für deren Umsetzung eingeräumt.

Zu einer von der Initiative auch geforderten Neuverhandlung der völkerrechtlichen Verträge zeigte sich die EU auch wegen des bevorstehenden Brexits bisher nicht bereit. Zugeständnisse an die Schweiz könnten einen Präzedenzfall für die Gespräche mit London schaffen.

Inländervorrang passé

Statt mit Obergrenzen soll die Zuwanderung mit einem anderen Hebel gesteuert werden: Die Arbeitsämter sollen künftig sehr genau darauf achten, ob Stellen mit in der Schweiz gemeldeten Arbeitslosen besetzt werden können. Das können aber auch dort gemeldete EU-Ausländer sein. Ein Inländervorrang wäre damit quasi passé.

Das Gesetz erschwere lediglich die Rekrutierung neuer Angestellter, kritisierte SVP-Chef Albert Rösti in einem Interview. Die Umsetzung missachte den Volkswillen. Er drohte mit einem Referendum zur Kündigung der Personenfreizügigkeit, sollte die Zuwanderung weiter steigen.

Für die Grenzregion sei das neue Gesetz keine schlechte Nachricht, sagte der Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Hochrhein-Bodensee, Professor Claudius Marx. „Die Umsetzung ist ein Bekenntnis zum Freizügigkeitsabkommen und damit auch zur EU“, so Marx.

Rund 56 .000 Menschen pendelten täglich vor allem aus Baden-Württemberg zur Arbeit in die Schweiz. Von der freien Wahl von Wohnsitz und Arbeitsplatz hätten aber nicht nur Grenzgänger etwas, erklärt der IHK-Chef. „Es ist ein Geben und Nehmen, der Schweizer Arbeitsmarkt profitiert auch von den Fachkräften.“

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