piwik no script img

Die GesellschaftskritikTheresa Mays Trousergate

Foto: Amanda Wakeley

WAS SAGT UNS DAS? Groß­britanniens Premierministerin steht in der Kritik, weil sie die falsche Hose trug.

Als Theresa May ihre Antrittsrede hielt, betont sie ausdrücklich, wie wichtig soziale Gerechtigkeit sei. Als Vikarstochter stammt May aus einer sehr viel bescheideneren Familie als ihr Vorgänger David Cameron, der das Eton College in Windsor besuchte. Sie versprach, soziale Ungleichheit bekämpfen und etwas gegen die Ungerechtigkeit tun zu wollen, der benachteiligte gesellschaftliche Gruppen ausgesetzt sind.

Fünf Monate später nun posierte sie bei einem Fotoshooting für eine Zeitung in einer 1.200 Euro teuren, schokoladenfarbenen Lederhose. Es folgten ein öffentlicher Aufschrei und der Vorwurf, ihre Kleidung zeige, dass sie den Bezug zur Bevölkerung verloren habe. Eigentlich aber geht es um etwas ganz anderes.

Der Furor, der May entgegenschlägt, kommt zu großen Teilen aus ihrer eigenen Partei, die wegen des Brexits im Clinch liegt. Zufällig ist nun Mays stärkste Hosenkritikerin – Nicky Morgan – auch ihr parteiinterne Gegnerin. Der Brexit ist kompliziert. Viel trefflicher lässt sich da über Hosen streiten.

Außerdem ist May erst die zweite weibliche Premierministerin. Dass man aber Frauen sehr viel stärker über ihr Äußeres definiert, als über das, was sie sagen oder tun, hat Tradition. Während Männer sich also regelmäßig sehr viel teurer kleiden, erregen sie damit weitaus weniger Aufmerksamkeit. David Cameron ließ seine Anzüge in der Londoner Savil Row maßschneidern. Und Nigel Farage, Brexit-Befürworter und selbst ernannter „Mann des Volkes“, trägt Tweedanzüge, die ebenfalls nicht billig gewesen sein können. Aber wir wissen nichts über den Preis, weil nie jemand danach gefragt hat. Wenn wir also Theresa Mays Luxus kritisieren – was in Zeiten, die des Sparens bedürfen, durchaus angebracht ist – sollten wir das künftig auch bei männlichen Politikern tun.

Jessica Abrahams

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen