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Von wegen Ausgehen und Rumstehen, meine Drogen sind im Wesentlichen Aspirin und NasensprayHome Alone Teil 6

Ausgehen und Rumstehen

von

René Hamann

„Club Tropicana, drinks are free / fun and sunshine, there’s enough for everyone / All that’s missing is the sea / but don’t worry, you can suntan.“

Wham!: „Club Tropicana“

Draußen herrscht waschechtes Erkältungswetter. Es ist nass, es ist kalt. Zum Glück bin ich schon erkältet. So sehr, dass ich fast alle Tage um die Festtage herum bevorzugt im Liegen verbringe, von wegen Ausgehen und Rumstehen, und meine Drogen im Wesentlichen Aspirin und Nasenspray sind. Irgendwann ist sogar das Ohr zu. Aber Winterwunderland ist eh nicht da draußen. Tatsächlich scheint Berlin, so schrieb es jemand in den sozialen Medien, so ausgestorben und öde zu sein wie die Dörfer, in die sie alle über Weihnachten zurückgefahren sind. Na, vielleicht ist da ja mehr los jetzt.

Am 1. Weihnachtstag, immerhin traue ich mich mal zum Spaziergang raus, ist sogar das „K-Fetisch“ (ein von Linksaktivisten selbst organisiertes Café in Neukölln, das vor Kurzem sogar einen rechtsterroristischen Brandanschlag knapp überstanden hat) geschlossen. Von wegen links sein und so. Um dann doch die christlich-abendländische Leitkultur mitzumachen.

Die Welt ist ja verrückt gerade, unübersichtlich, uneindeutig, überall Widersprüche. Die einen klagen zum Beispiel die Welt an, weil sie sich so wenig um die Opfer von Aleppo kümmert, es ist sogar eine Art Kreuzzug geplant, der vom Tempelhofer Feld ausgeht. Die anderen, sehe ich in meiner Timeline auf Facebook, feiern die Befreiung der Stadt und posten Bilder von syrischen Christen, die in Aleppo zum ersten Mal seit Jahren wieder öffentlich Weihnachten feiern dürfen.

Kurz darauf stürzt ein russisches Flugzeug mitsamt feierlaunigem und fest gebuchtem legendären Armeechor über dem Schwarzen Meer ab; die russischen Behörden jedoch reden von einem „Fehler des Piloten oder technischem Versagen“, ein Terroranschlag wird für unwahrscheinlich gehalten. „Ein Attentat gehöre nicht zu den Theorien, denen hauptsächlich nachgegangen werde“, so der russische Verkehrsminister.

In den sozialen Netzwerken beklagt sich derweil ein Endvierziger, schon wieder keinen Hund geschenkt bekommen zu haben und auch kein kleines Brüderchen. Heiligabend läuft „Kevin allein zu Haus“ im Fernsehen. Der erste, dann noch der zweite Teil. Der Film hat einige Überraschungen zu bieten: Joe Pesci spielt den kleineren der beiden dumm-tollpatschigen Diebe; und mein persönlicher Weihnachtsklassiker, „Ist das Leben nicht schön?“ mit James Stewart, taucht als Film im Film auf. Vor dem Einschlafen überlege ich, warum es nicht gelungen ist, eine angemessene Fortsetzung der Reihe zu machen. Tatsächlich gibt es von „Home Alone“ (so der Originaltitel) noch die Teile 3 bis 5, Macaulay Culkin spielt jedoch nicht mehr mit, die Besetzung wurde komplett ausgetauscht. Schade.

Kurz darauf wache ich auf, weil entweder tatsächlich jemand klingelt oder ich mir das Türklingeln einbilde. Eine gute halbe Stunde lang liege ich wach und habe Angst vor Einbrechern. René allein in Neukölln. Home Alone 6.

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