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heute in hamburg„Mehr solidarische Inseln“

Flüchtlingshotel AktivistInnen haben in Athen Räume für selbstbestimmtes Leben geschaffen

Foto: dpa
Marily Stroux

66, wurde in Athen geboren. Sie fotografiert für die taz und arbeitet ehrenamtlich mit Flüchtlingskindern.

taz: Frau Stroux, warum haben AktivistInnen in Athen ein Hotel für Flüchtlinge eröffnet?

Marily Stroux: Die meisten Flüchtlinge schlafen in Zelten, sind auf der Straße, haben keine medizinische Versorgung oder sanitäre Anlagen. Deswegen haben mehrere Gruppen von AktivistInnen aus Athen vor sechs Monaten ein Hotel eröffnet, indem sie verschiedene leer stehende Gebäude besetzt und in Wohnräume für Geflüchtete umfunktioniert haben.

Wie unterscheidet sich dieses Hotel von anderen Flüchtlingsunterkünften?

Das Besondere an dem Hotel ist, dass die AktivistInnen zusammen mit den Geflüchteten leben. Da wird alles zusammen gemacht – zusammen gelebt, zusammen gekocht und zusammen überlegt. Die Menschen können selber entscheiden und darüber bestimmen, wie sie leben wollen.

Wie unterstützen die AktivistInnen die Geflüchteten in dem Hotel denn noch?

Insgesamt sind es 300 Menschen, die in dem Hotel wohnen, darunter 180 Kinder und Jugendliche. Es gibt tägliche Kurse, einen Kindergarten, ärztliche Betreuung, Beratung und tausend Programmpunkte, die jeden Tag angeboten werden, sowohl von AktivistInnen als auch von Flüchtlingen selber. Inzwischen werden die Kinder sogar in Schulen aus der Nachbarschaft eingeschult, was total toll ist.

Müssen die Flüchtlinge pro Nacht bezahlen und wie lange dürfen sie im Hotel wohnen bleiben?

Erst mal müssen sie gar nichts bezahlen und sie können so lange bleiben, wie sie es selbst für nötig halten. Das Projekt wird hauptsächlich über Spenden und Partys finanziert.

Gab es schon rassistische Angriffe auf das Hotel?

Die Situation in Griechenland ist sehr zugespitzt. Im Zentrum von Athen gibt es durchaus Faschisten, aber das Hotel wird von den AktivistInnen gut geschützt. Die Beziehung zu den NachbarInnen des Hotels ist auch sehr gut. Sie wussten von Anfang an Bescheid und respektieren, was passiert und was für Leute in dem Hotel wohnen, wodurch es bisher zu keinen Angriffen kam.

Braucht es mehr Flüchtlingshotels in Europa?

Ganz viele! Am besten wären natürlich eigene Wohnungen, aber solange es das nicht gibt, braucht es umso mehr solidarische Inseln auf der Welt.

Interview: Nora Kaiser

Vortrag: „Das beste Hotel Europas auf Tour“, Buttclub, 19 Uhr, Eintritt frei

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