: Cathy Berberians Brrrrrrrrr Boing!
Musik Das Festival Heroines of Sound im HAU 2 präsentiert zum dritten Mal bekannte und weniger bekannte Komponistinnen und Musikerinnen der zeitgenössischen und aktuellen elektronischen Musik
von Ingo Techmeier
Das Heroines of Sound Festival präsentiert zum dritten Mal Komponistinnen und Musikerinnen der zeitgenössischen und aktuellen elektronischen Musik. Hatte sich im vergangenen Jahr das Gewicht in Richtung verschiedener Spielarten moderner, auch populärer Musik verschoben, ist in diesem Jahr die „akademische“ Musik präsenter. So werden ab Donnerstag – neben der bewährten Mischung früher wie aktueller Künstlerinnen – drei Künstlerinnen besonders gewürdigt: Cathy Berberian, Beatriz Ferreyra und Christine Groult.
Ohne Zweifel ist die 1983 verstorbene Sopranistin Cathy Berberian eine der großartigsten Interpretinnen der zeitgenössischen Musik. Doch hat die 1925 in den USA als Kind armenischer Einwanderer geborene Berberian auch eigene Werke komponiert. Darunter „Stripsody“ eine aus den lautmalerischen Worten der Comicstrips zusammengesetzte Komposition: BRRRRRRRRR BOING! Eine Sprache, die ihr vertraut war, da sie gemeinsam mit Umberto Eco Comics des US-Amerikaners Jules Feiffer ins Italienische übersetzt hat.
Am Donnerstag stehen verschiedene Kompositionen auf dem Programm, die von Berberian interpretiert heute als Klassiker der Moderne gelten. Darunter „Sequenza III“ (1965), das von Luciano Berio – damals schon ihr ExeEhemann – für sie komponiert wurde: Das Stück für Solostimme soll die Interpretin an ihre Grenzen und darüber hinaus führen. So fordert die Partitur Techniken wie „Lachsalven“ und „Zungentriller“. Damit ist die „Sequenza III“ eine Herausforderung, der sich am Donnerstag Anna Clementi stellen wird, während Ute Wassermann am Samstag „Stripsody“ interpretiert.
Einen zweiten Schwerpunkt des Festivals bilden Beatriz Ferreyra und Christine Groult, die beide der Groupe de Recherches Musicales (GRM) angehörten. Diese Gruppe von Klangforscher_innen wurde die 1951 in Paris im Umfeld Pierre Schaeffers gebildet und war wohl keine einfache Arbeitsumgebung für Frauen. Zumindest meint der Komponist Denis Defour zur Atmosphäre in den 1970er Jahren, „das waren wirklich furchtbare Frauenhasser!“
Bis heute wird die GRM mit der Musique concrète – einer Collagenmusik aus Alltagsgeräuschen – verbunden. Doch natürlich wurde diese aus „gefundenen“ und extra eingespielten Klängen geschaffene elektroakustische Musik theoretisch wie praktisch stetig weiterentwickelt. Werke dieser „akusmatischen“ Musik werden am Freitag von einem eigens zusammengestellten Acousmonium (Lautsprecher-Orchester) präsentiert.
Das Festival Heroines of Sound, das vom 8. bis 10. Dezember im HAU 2 läuft, bietet Filme und Konzerte mit 19 Künstlerinnen und ein Symposium zu elektronischer Musik von Frauen. Gewürdigt werden etwa die Sopranistin Cathy Berberian und die Komponistinnen Beatriz Ferrerya und Christine Groult. Den Abschluss am Samstag bildet ein DJ-Set von Mo Loschelder.
www.heroines-of-sound.com
Die 1937 in Argentinien geborene Ferreyra lebt seit den 1960ern Jahren in Frankreich und hat eine klassische Musikausbildung. Dennoch sagt Ferreyra von sich, sie wisse nicht, „an welchem Ende man eine Geige hält“. So wurde das Tonstudio zu ihrem Instrument, mit dem sie elektroakustische Musik komponiert. Sie schuf jedoch auch einige gemischte Arbeiten, bei denen sie auch klassische Instrumente einsetzte wie beispielsweise „Tierra Quebrada“ (Zerbrochenes Land) von 1976. Ein Werk, das mit Blick auf die bis 1983 dauernde argentinische Militärdiktatur entstand. Damals wäre sie am liebsten nach Argentinien zurückgekehrt, doch ihr Vater überzeugte sie, in Frankreich zu bleiben. Das von ihr am Freitag vorgestellte „Les larmes de l’inconnu“ (2011) ist eine erstaunliche Mischung von Reminiszenzen an alte Tonbandarbeiten und neuen digitalen Techniken. Gewidmet ist es zwei Kabbalisten und deren Neuinterpretation des Alten Testaments.
Die 1950 geborene Christine Groult begann ihre Ausbildung in der GRM, studierte aber auch Gesang. Sie komponiert ausschließlich elektroakustische Werke und beschäftigt sich seit 2003 auch mit ortsbezogenen Klanginstallationen, mit denen sie ein größeres Publikum ansprechen will. Von Groult wird unter anderem „La Condition Capative“ zu hören sein. Eine 2003 uraufgeführte Komposition, die sich mit dem Irakkrieg beschäftigt.
Im dritten Jahr zeigt sich das Heroines of Sound Festival mit gut gesetzten Schwerpunkten und hochinteressanten Protagonistinnen der zeitgenössischen Musik. Doch natürlich gilt es auch dieses Jahr wieder, weniger bekannte Künstlerinnen zu würdigen und ihnen ein Forum zu bieten.
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