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Fernsehverarschung und Hommage

Gaga Olli Dittrichs TV-Zyklus geht weiter. Diesmal präsentiert er einen Jahresrückblick: „Selbstgespräche mit Konstantin Pfau“ (23.20 Uhr, ARD)

von Jürn Kruse

Im Abspann geht ein „besonderer Dank“ an Reinhold Beckmann. Vielleicht nur, weil Olli Dittrich zusammen mit Beckmanns Firma Beckground TV nun schon den sechsten Teil seines Fernsehzyklus produziert hat. Vielleicht aber auch, weil niemand Dittrichs Hauptfigur Konstantin Pfau so sehr beeinflusst haben dürfte wie der norddeutsche Sportmoderator und Talkmaster. „Selbstgespräche mit Konstantin Pfau“, heißt Olli Dittrichs aktuellste Beobachtung und Persiflage eines TV-Formats.

Genau wie Beckmann schöpft auch Pfau bei seinen Fragen großzügig aus nicht vorhandener Tiefe. Ein bisschen die Vita oder die aktuelle Situation des Gegenübers zusammengefasst, am Ende ein „Wie erklären Sie sich das?“ oder „Was meinen Sie?“ oder – der Klassiker – „Wie fühlt sich das an?“ rangeklatscht, fertig ist die zutiefst empathische Frage eines Startalkers. „Schalten Sie bitte beim nächsten Mal wieder ein, wenn ich spreche. Danke“, sagt Pfau zum Schluss seines Jahresrückblicks.

Das Setting bei den drei Eins-zu-eins-Gesprächen: Schwarzer Raum (Typ Da-lässt-sich-alles-hin­eininterpretieren), im Hintergrund ein paar Glühbirnen (Typ Gerade-noch-EU-kompatibel), ein Holztisch (Typ Berghütte), darauf zwei Mikrofone (Typ Öffentliche-Veranstaltung-an-der-Wolfgang-Kubicki-Grundschule), dazu zwei Ledersessel (Typ Es-war-einmal).

Dittrich verkörperte schon Sören Lorenz im „frühstücksfernsehen“, er war schon alle Gäste im „Talkgespräch“, zweimal „Schorsch Aigner, der Mann, der Franz Beckenbauer war“ ,und Sandro Zahlemann, der rasende Reporter des Mitteldeutschen Rundfunks.

Bei den Selbstgesprächen mit Konstantin Pfau muss man sich allerdings etwas gedulden bis etwas passiert. Zuerst spielt Dittrich, der wieder alle Rollen übernommen hat, den Libanesen Youssef Al Bustani. Er hat die „Lindenstraße“ ins Arabische übersetzt, wurde damit berühmt und hat in diesem Jahr für seine „Präventive Integration“ das Bundesverdienstkreuz bekommen. Anschließend spielt Dittrich den Briten Michael Trevor Pitchford, der ebenso wie der britische Außenminister Boris Johnson an der Krankheit Morbus Auri leidet und deswegen genau weiß, warum Johnson den Brexit herbeiredete, und als Drittes darf endlich der deutsche „Spitzendiplomat“ Jörn-Philipp Echternach ran.

Echternach, der immer so sinnlose Sprechpausen macht, wie man sie von Ex-SPD-Spitzenkandidat und Ex-Spitzenverteidigungsminister Rudolf Scharping kennt, war acht Monate lang Botschafter in der Türkei. Und ihm wurden all die Zitate in den Mund gelegt, die Dittrichs Formate so besonders machen; die zeigen, wie gut beobachtet wurde und wie fein die Figuren dann überzeichnet werden – bevor es in bester „Dittsche“-Manier gaga wird.

Es sind diese Sätze, die man eigentlich erst einmal aufschreiben muss, damit sich ihre ganze Genialität im Aufzeigen der Absurdität erschließt, an die wir uns bei gängigen TV-Talkformaten längst gewöhnt haben.

Pfau: „Hätte die Bundesrepublik nicht sehr viel früher kritisch Position beziehen müssen? Was meinen Sie?“

Echternach: „Herr Pfau, ich gebe Ihnen völlig recht. Ich ­beziehe auch hier ganz klar Position und sage noch einmal: Wir befinden uns in einem Dia­log gegenseitiger Partner differenzierter Zustimmung. Das heißt: neue Herausforderungen, aber auch eine tragfähige Suche nach Lösungen auf Länder­austauschebene kons­truktiver Art.“

Nach Echternachs erstem Auftritt wird es auch bei Al Bustani endlich absurder. Wenn der Mann erzählt, dass er früher einen Imbiss hatte, dann ein Restaurant, das pleiteging, und dann erst mal auf Weltreise gegangen ist, da muss Moderator Pfau natürlich einhaken: „Herr Bustani, was haben Sie gemacht auf dieser Weltreise?“ Wichtig, um der simplen Frage Tiefe zu verleihen, ist es, die zuvor inein­andergefalteten Hände zu lösen und mit der Hand, an der sich der auffällige Fingerring befindet, eine kreisende, fast schaufelnde Bewegung zu machen, als würde man aus seinem Gesprächspartner das Gold der Weisheit schürfen.

Es ist dann natürlich schlecht, wenn die Antwort des Gegenübers so ausfällt: „Geguckt, nä?“

Dittrich beobachtet genau und ­überzeichnet die Figuren. In ­genialer Weise zeigt er die ­Absurdität, an die wir uns bei gängigen TV-Talk­formaten längst gewöhnt haben

Also wieder zurück zu Echternach.

Pfau: „Konkret gefragt: Befürworten Sie die Türkeipolitik der Bundesregierung?“

Echternach: „Herr Pfau, ich bin jetzt Botschafter in Schweden, ich befürworte die Schwedenpolitik der Bundesregierung.“ Pause. „Ausdrücklich.“

Und ebenso ausdrücklich ist auch Olli Dittrichs „Selbstgespräche mit Konstantin Pfau“ zu empfehlen. Trotz des schleppenden Einstieg, und obwohl es nicht an das „frühstücksfernsehen“, den „Sandro-Report“ oder die erste „Schorsch Aigner“-Doku heranreicht, ist es wieder ein außergewöhnliches Stück Fernsehverarschung und Fernsehhommage im Fernsehen geworden.

Und sollten Sie am Donnerstagabend keine Zeit haben, keine Sorge: Das Format wird bis zum 14. Januar noch 13-mal wiederholt (bei Phoenix, dem WDR und One).

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