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Das letzte Aufgebot für eine verlorene Schlacht

Frankreich Nach dem Verzicht von François Hollande auf die Kandidatur für die Präsidentschaftswahl hat in der Sozialistischen Partei das große Stühlerücken begonnen. Die Heckenschützen liegen in Position. Sie haben es auf den „Judas“ Manuel Valls abgesehen

Der neue, echt smarte Premier: Bernard Cazeneuve Foto: Foto:Etienne Laurent/dpa

Aus Paris Rudolf Balmer

Die Regeln der französischen Republik funktionieren wie geschmiert. Kurz vor 8.30 Uhr traf der Frühaufsteher Manuel Valls im Élysée-Palast ein, um bei Präsident François Hollande seinen angekündigten Rücktritt einzureichen. Kaum war die Unterredung zu Ende, da wussten die Medien bereits, wer Valls als Premierminister nachfolgen würde. Hollande geht auf Nummer sicher, indem er einem seiner populärsten Regierungsmitglieder das Amt des Regierungschefs für die verbleibenden fünf Monat anvertraut. Der bisherige Innenminister Bernard Cazeneuve ist ein Vertrauter des Präsidenten, er galt neben Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian als Wahl ohne Risiko bei dieser Umbildung, die notwendig geworden war, weil sich Valls voll und ganz seiner Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen im Frühling widmen will.

Bereits am Nachmittag war danach am Regierungssitz Matignon die Amtsübergabe zwischen den Kollegen vorgesehen. Neuer Innenminister – und damit Verantwortlicher für den Kampf gegen den Terrorismus – wird der sozialistische Fraktionschef im Parlament, Bruno Le Roux. Dieser hat in den Medien dann wie ein Regierungssprecher jedes Wort des Präsidenten zu rechtfertigen. Kleinere Änderungen im Ministerkabinett betreffen schließlich die Staatssekretäre für Frankofonie und Entwicklungshilfe. Beide Ämter gingen ebenfalls an Getreue des Staatschefs, Jean-Marie Le Guen und André Vallini.

Allen ist klar, dass es sich um eine Interimsregierung handelt, die bis zum Ende der Präsidentschaft möglichst keine Wellen werfen soll. Da die Parlamentskammern vor der Wahl im nächsten Jahr frühzeitig Urlaub bekommen, können überdies keine größeren Gesetze mehr ins Auge gefasst werden. Auch in dieser Hinsicht möchte Hollande offenbar dem für seine Nachfolge kandidierenden Valls in keiner Weise in die Quere kommen. Hollande wird sich darauf beschränken, seine Rolle als bloßer Repräsentant zu erfüllen – oder, wie man in Frankreich dazu sagt, Chrysanthemen einzuweihen.

Feinde und Konkurrenten hat Valls ja so schon genug. Kaum hatte er seine Kandidatur bei den sozialistischen Vorwahlen im Januar angekündigt, als in den Netzwerken giftige Pfeile auf ihn abgeschossen wurden. Auf Twitter existiert schon der Hashtag #TSV für „Tout sauf Valls“ (Alles, bloß nicht Valls), was an analoge Slogans gegen Nicolas Sarkozy erinnert, mit dem Valls ja immer wieder von seinen linken Gegnern verglichen wurde. Nicht gerade zimperlich tönt es in den Kurzkommentaren: Valls wird als „Brutus“, „Verräter“ oder gar „Judas“ beschimpft, weil er skrupellos Hollande zum Verzicht genötigt habe. Die Mehrzahl dieser Schmähungen kommt nicht von rechts. Mehrere sozialistische Prominente wie Exministerin Martine Aubry haben erklärt, wie schwer es ihnen falle, Valls zu unterstützen.

TSV – „Tout sauf Valls“ (Alles, bloß nicht Valls) lautet der Hashtag auf Twitter

Valls löst im linken Lager Ablehnung und Widerspruch aus. Diese Reaktionen sind bezeichnend für den Zustand dieses Lagers, das heute wegen tiefer Meinungsdifferenzen und der Bilanz von Valls und Hollande unversöhnlich gespalten sind. Valls kann nicht hoffen, dass ihm seine internen Rivalen vom linken Flügel in diesem harten Clinch um die Einsetzung als offizieller Kandidat der Sozialisten seine früheren Stellungnahmen vergeben. Erst recht kein Entgegenkommen ist vonseiten der anderen linken Konkurrenten zu erwarten. Jean-Luc Mélenchon von der Linkspartei, der mit Unterstützung der Kommunisten im Namen eines „France insoumise“ (das ungehorsame Frankreich) kandidiert, und der Grüne Yannick Jadot haben nicht die geringste Absicht, auf ihre Alleingänge zu verzichten.

In den nächsten Wochen wird hart um den Platz in der Mitte gekämpft. Mit der Nominierung des sehr konservativen Kandidaten François Fillon hat die bürgerliche Opposition den Schwerpunkt nach rechts verschoben. Im Kampf um das verwaiste Zentrum steht Valls in direkter Konkurrenz mit seinem vormaligen Wirtschaftsminister Emmanuel Macron. Beide machen Vorschläge für wirtschaftsliberale Reformen, beide haben bestimmte Errungenschaften wie die 35-Stunden-Woche explizit als „Mittel aus dem letzten Jahrhundert“ kritisiert und versprochen, die Unternehmen zu fördern. Beide gleichen sich auch in ihrem Ehrgeiz und Stil.

Der parteilose Macron, der „weder links noch rechts“ stehen mag, hat allerdings den Vorteil, dass er weniger als der Expremierminister für die Regierungsbilanz der letzten Jahre haftbar gemacht wird. Nach seinem Rücktritt hat Valls ein paar Monate Zeit, um mit neuen Vorschlägen dennoch glaubwürdig zu werden und den vorherrschenden Eindruck zu widerlegen, dass mit dem glücklosen Hollande die ganze Linke in Frankreich Schiffbruch erleidet.

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