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American PiePosse um „Posse“

BASKETBALL NBA-Star LeBron James gefällt nicht, wie Trainer­legende Phil Jackson seine ­Entourage nennt

Da sitzt ein Zweimetermann mit dem Habitus eines eleganten alten Herrn in der Umkleidekabine der New York Knicks im Madison Square Garden. Mitten zwischen 15 meist hochbezahlten Basketballern mit Namensschildchen am Revers. In der riesigen Arena an der Penn Station mitten in Manhattan – ihrer Spielstätte – haben die Knicks am Montag ihr erstes Team-Meeting der Saison abgehalten, und Klubpräsident Phil Jackson blieb stumm. „Er saß nur dabei und hat uns reden lassen“, sagt Knicks-Star Carmelo Anthony.

Geredet hat Jackson zuletzt genug – und unfreiwillig die Diskussion über alte weiße Männer aus der aktuellen US-Politik in die NBA gebracht. In einem ausführlichen Interview mit dem US-Sportsender ESPN sprach der 71-Jährige auch über Liga-Grande LeBron James von den Cleveland Cavaliers – und dessen kolportierte Kapricen aus vergangenen Jahren. „Du lässt dein Team nicht im Stich, weil du mit deiner Mutter und deiner Posse eine Extranacht in Cleveland verbringen willst. Es muss immer alles nach seinen Vorstellungen laufen.“ Das war der Startschuss für eine Debatte über unterschwelligen ­Rassismus in den Liga-Führungsetagen.

Denn „Posse“ bezeichnet umgangssprachlich eine „Bande“, im Zusammenhang mit Prominenten gerne auch despektierlich den oft übergroßen Begleittross, der sich im Glanz des Stars sonnt und sich von diesem gern aushalten lässt. Durch die zunehmende Verwendung des Begriffs für – meist afro- oder lateinamerikanische – Gangs und Kriminelle entsteht allerdings mindestens eine negative Konnotation.

„Ich hatte eine Menge Respekt für ihn als Trainer, dafür, was er mit meinem Lieblingsspieler Michael Jordan bei den Chicago Bulls erreicht hat. Aber jetzt nicht mehr,“ sagt James selbst. „Wenn er so etwas öffentlich sagt, dann möchte ich mir gar nicht vorstellen, was er hinter verschlossenen Türen redet.“ Jackson ist einer der erfolgreichsten Trainer der NBA-Historie, sein Wort hat noch immer Gewicht. Seit März 2014 ist er Teampräsident der New York Knicks, mit denen er als Aktiver 1970 und 1973 die einzigen beiden Meisterschaften der Klubhistorie gewann. In den 90ern coachte Jackson als gewiefter Trainer die Bulls-Übermannschaften um Jordan zu sechs Meisterschaften und wurde zur Legende. Nach der Jahrtausendwende folgten noch einmal fünf Titel mit den Los Angeles Lakers um Kobe Bryant. „Wenn er ‚Le­Bron und sein Agent‘ oder ‚Le­Bron und seine Geschäftspartner‘ gesagt hätte. Aber er hat dieses Wort verwendet, weil wir jung und schwarz sind,“ sagt Maverick-Spieler Carter. Carter ist James’Jugendfreund, enger Vertrauter und Mitgründer und Chef einer Spieleragentur, die längst über die Basketballgrenzen hinweg eine große Nummer im US-Sport ist.

Die Diskussion verdeutlicht: Jackson, der wortgewandte Intellektuelle, der seinen Spielern einst auch mal Bücher von Hermann Hesse ans Herz legte, hat sich für viele verstiegen in seiner Wortwahl – und den falschen Gegner ausgesucht. James gilt seit Jahren als bester Basketballer der Welt, setzt sich ein in der Spielergewerkschaft und für gesellschaftspolitische Themen.

Im US-Präsidentschaftswahlkampf hat er für die Demokratin Hillary Clinton gekämpft. „Ich bin auf LeBrons Seite“, sagt auch James Harden von den Houston Rockets. „Seine Freunde und Geschäftspartner sind keine Posse, es sind hart arbeitende Leute, genau wie meine auch.“ Trainer Stan van Gundy von den Detroit Pistons gibt der Auseinandersetzung eine weitere Dimension: „Ich habe darüber nachgedacht, in welchem Zusammenhang ich das Wort Posse schon benutzt habe, und erkannt: Ausschließlich für afro-amerikanische Spieler. Ich fühle mich schuldig.“

Dabei sollte der abfällige Ton in Jacksons Aussagen niemanden überraschen. Er gilt als eigen im Umgang mit Medien, die Bandbreite seiner Auftritte reicht von charmant über philosophisch bis hin zu herablassend und arrogant. „Diese ganze Debatte ist dermaßen konstruiert“, wundert sich daher Jackson-Freund und -Hofberichterstatter Charley Rosen, das führe „die Political Correctness ad absurdum“. David Digili

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