heute in bremen
: „Der Hass ist noch derselbe“

Verdrängung Die Deutsch-Israelische Gesellschaft über moderne Elemente des Antisemitismus

Bernd Moldenhauer

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71, ist Mitglied der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Bremen und selbstständiger Berater mit Studium bei Adorno, Bloch und Habermas.

taz: Herr Moldenhauer, ist Antisemitismus noch ein Problem?

Bernd Moldenhauer: Es ist immer ein Problem gewesen und ist es heute noch. Regelmäßig durchgeführte Erhebungen wie die „Mitte-Studie“ der Universität Leipzig zeigen, dass es einen stabilen Kern traditioneller antisemitischer Einstellungen gibt. Ihr Anteil bewegt sich um die zehn Prozent. Über 55 Prozent der Befragten ärgert es, „dass den Deutschen auch heute noch die Verbrechen an den Juden vorgehalten werde“. Diese Einstellung gehört zu den Aversionen, die sich erst nach dem Untergang des NS-Regimes entwickelt haben.

Was meint traditioneller Antisemitismus?

Damit ist die Überzeugung gemeint, die Juden seien an allen Übeln der Welt schuld. Der Hass auf die Juden war die Legitimation und das Erfolgsrezept der NSDAP. Die heutigen Formen dieses herkömmlichen Antisemitismus werden nicht mehr rassenbiologisch begründet, der Hass ist aber noch derselbe wie im Nationalsozialismus. Es scheint, dass Teile der Bevölkerung von jeder Einsicht in das Wahnhafte des Antisemitismus verschont geblieben sind.

Und die neuen Formen des Antisemitismus?

Dazu gehört der sogenannte sekundäre Antisemitismus. Für ihn gibt es zwei Gründe. Die Auseinandersetzung mit der Shoah und den Raub jüdischen Eigentums. Die Erinnerung und die Restitutionsforderungen führen zu feindseligen Haltungen gegen Juden.

Woher kommt das?

Wer diese Einstellungen mit sich herumträgt, fühlt sich als Opfer ungerechtfertigter Kollektivhaftung. Aus dieser vermeintlichen Opferstellung hat noch jede Form des Antisemitismus ihre Berechtigung abgeleitet.

Ihr Vortrag handelt unter anderem von Hannah Arendt – was sagt sie über Antisemitismus?

Für sie ist der Antisemitismus einer der Gründe der Katastrophengeschichte des 20. Jahrhunderts. Auf jeden Schritt der rechtlichen Gleichstellung, sogar der Bereitschaft zur Assimilation, antwortete der Antisemitismus mit immer schärferen Ausschlussforderungen. So entstand im 19. Jh. der Boden für den Nationalsozialismus, dessen Programnm war, die Juden aus dem Kreis der Lebenden auszuschließen. Der Antisemitismus war der Beginn eines Bruchs mit allen Formen friedlichen politischen Zusammenlebens und damit der erste Schritt auf dem Weg in die totale Herrschaft.

Ist Arendts Antisemitismustheorie noch aktuell?

Arendt hat 1945, in der Stunde des Untergangs des NS-Regimes, gesagt, dass der Antisemitismus überleben wird, und dies bedeutet, dass auch die Ideologie wiederkehren kann, die ihn getragen hat. Dass sie wahnhaft ist, dass sie nichts als Elend und Schande für die eigene Gesellschaft bedeutet, ist gleichgültig. In Paniksituationen können solche Überzeugungen wieder aufleben. Panik schaltet den Verstand aus.

Interview: Lukas Thöle

Vortrag: 19 Uhr, Wall-Saal, Zentralbibliothek, Am Wall 201