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Schneidig in die Rechtskurve

SURPRISE Frankreichs Republikaner suchen nach einem Kandidaten, der sich gegen den Front National von Le Pen behaupten kann – und setzen auf einen bürgerlichen Hardliner mit neoliberalem Wirtschaftsprogramm

Aus Paris Rudolf Balmer

Bis kurz vor der Zielgeraden hat ihn niemand kommen sehen. Auf den vermeintlichen Außenseiter hätte kaum jemand vor einigen Wochen noch einen Centime gewettet. Dann diese Überraschung: Beim Rennen um die Nominierung zum Kandidaten der Republikaner für die Präsidentschaftswahl 2017 erhält François Fillon 44 Prozent der Stimmen. Und alle fragen sich, was sie da verpasst hätten.

Man hat vielleicht zu Unrecht vergessen, dass Fillon ein leidenschaftlicher Hobby-Autorennfahrer ist. Er hat in diesem Rennen taktisch schlau kalkuliert, schneidig die Kurven (vor allem nach rechts) genommen und seine verblüfften Konkurrenten mit einem fulminanten Endspurt buchstäblich stehen gelassen. Unaufgeregt und zielstrebig hat er gewartet, bis sich seine beiden Hauptgegner, der frühere Premier Alain Juppé und Expräsident Nicolas Sarkozy, genügend verausgabt und im Hickhack der Kampagne gegenseitig diskreditiert hatten.

Für Juppé, der 28 Prozent der Stimmen erhielt und nun am kommenden Sonntag in einer Stichwahl eher pro forma gegen Fillon antritt, ist es besonders schmerzlich, in der ersten Runde so deutlich überholt zu werden. Seit Monaten hatten ihn die Umfragen bereits als zukünftigen Präsidenten gefeiert.

Juppés eher gemäßigtes Programm hat jedoch die bürgerliche Rechte nicht überzeugt. Und sein Versuch, als Staatsmann über seinen streitenden Konkurrenten zu schweben, wirkte mehr wie mangelnde Kampfeslust. Fillons stille, ja triste und oft fast langweilige Art erschien den bürgerlichen Stammwählern im Vergleich dazu als Garantie für Effizienz.

Welch ein Kontrast jedenfalls zu Sarkozy, der sich auch im eigenen Lager mit seiner Selbstherrlichkeit und mit großspurigen Versprechen seit Langem schon viele Sympathien verscherzt hat – und jetzt nur 20,7 Prozent der Stimmen erhielt.

Auch die zahlreichen Sympathisanten der Linken, die bei diesen rechten Vorwahlen nur mitmachten (schätzungsweise 15 Prozent aller Teilnehmenden!), um Sarkozy zu verhindern, haben Fillon wohl nicht wirklich ernst genommen. Sein wirtschaftliches Programm musste ihnen zu unrealistisch und radikal vorkommen. Doch mindestens bei den bürgerlichen Stammwählern finden Themen wie die Abschaffung der 35-Stunden-Woche, der Reichtumssteuer, die Erhöhung des Rentenalters auf 65 Jahre oder die Streichung von 500.000 öffentlichen Stellen Anklang.

Fragt sich allerdings, ob er im Fall seiner Wahl zum Staatspräsidenten einen solchen Sozialabbau auch wirklich gegen den zu erwartenden Widerstand durchsetzen könnte. Angela Merkel, Mariano Rajoy oder David Cameron jedenfalls hätten mit Fillon bestimmt einen seelenverwandten Partner.

Dessen Erfolg lässt sich nicht mit seinen wirtschaftspolitischen Vorstellungen erklären. Fillon hat jetzt aufgrund seiner konservativen Haltung in Gesellschaftsfragen auch eine sehr wirksame Unterstützung von rechtskatholischen Kreisen erhalten, die sich mit massivem und hartnäckigem Widerstand gegen die Legalisierung der Homo-Ehe als politischen Faktor in Frankreich in Erinnerung gerufen hatten.

Fillon möchte namentlich die Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare infrage stellen. Als Hardliner in der Sicherheitspolitik forderte er einen massiven Ausbau der Gefängnisse, er befürwortet die Ausbürgerung der wegen Terrorismus Verurteilten. Er lehnt die von Sarkozy gewünschte Internierung von Verdächtigen ab, schlägt aber vor, diese eventuell wegen „Kontakten mit dem Feind“ gerichtlich verurteilen zu lassen. Auch außenpolitisch setzt Fillon Akzente, die ihn bis weit in die extreme Rechte populär machen: Er wünscht eine enge Zusammenarbeit mit Wladimir Putin und eine Allianz im Kampf gegen IS, die auch den syrischen Machthaber Baschar al-Assad nicht ausschließt.

Zwei Euro, eine Überraschung

Was? Vor den Präsidentschaftswahlen 2017 haben die französischen Republikaner (LR) am Wochenende erstmals ihre Bewerber in offener Abstimmung gegeneinander antreten lassen. Wer bei der Stichwahl am kommenden Sonntag siegt, geht für die Partei als Präsidentschaftskandidat ins Rennen.

Wer? Sieben Politiker bewarben sich, darunter eine Frau. Expräsident Nicolas Sarkozy erhielt rund 21 Prozent, Expremier Alain Juppé kam mit 28 Prozent nur auf Platz zwei. François Fillon lag mit 44 Prozent vorn.

Wie? Jeder Franzose und jede Französin durfte abstimmen. Voraussetzung: Sie mussten zwei Euro zahlen und unterschreiben, die Republikaner zu unterstützen.

Viele seiner Parteifreunde dürften sich gesagt haben, dass er mit seiner Rechtswende die besten Chancen habe, bei den Präsidentschaftswahlen viele Stimmen von ganz rechts ­anzuziehen und so im Falle ­einer Stichwahl gegen Marine Le Pen vom Front National zu siegen.

Nur stellt sich eben auch die Frage, ob ein Präsidentschaftskandidat in spe François Fillon mit seiner wirtschaftsliberal inspirierten und klar prokapitalistischen Politik nicht der Rechtspopulistin die Möglichkeit eröffnet, mit einer nationalistischen Sozialpolitik im Interesse der „kleinen Leute“ zu kontern.

Fillon ist mit seinem eigentlich sehr traditionellen konservativen Programm keine direkte Antwort auf die auch in Frankreich existierende Versuchung, den Sirenenklängen des Populismus nachzugeben. Im Unterschied zu Sarkozy hat er auch nie versucht, sich als Kandidat gegen das System oder die Elite zu verkaufen. Er lässt damit nicht nur Spielraum für die extreme Rechte, sondern auch für die – freilich derzeit fast hoffnungslos zerstrittene und desorientierte – Linke, die nun vor der schwierigen Aufgabe steht, eine möglichst geschlossene Antwort auf Fillon und seine Rechtswende zu geben.

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