Atempause fürs Klima, Denkpause für Politik
UNO Das dritte Jahr in Folge bleibt weltweit der Ausstoß von CO2 aus Kohle, Öl und Gas konstant. Keine Kohle für reiche Länder
Aus Marrakesch Bernhard Pötter
Gute Neuigkeiten sind bei Klimagipfeln die Ausnahme, aber am Montag war es einmal so weit: Der weltweite Ausstoß von Kohlendioxid aus der Verbrennung von Kohle, Öl und Gas ist nun drei Jahre hintereinander praktisch nicht mehr angestiegen. Das verkündeten auf der UN-Klimakonferenz in Marrakesch Wissenschaftler des Global Carbon Project: „Unsere Projektion zeigt 36,4 Milliarden Tonnen für 2016“, sagte Glen Peters vom norwegischen Forschungsinstitut Cicero. Nach 36,2 und 36,3 Milliarden in den letzten Jahren ist das praktisch Stillstand – aber für den ersehnten „Gipfel“ der Emissionen „müssten sie erst einmal sinken“, hieß es.
Für die Bremse sind vor allem die größten Verschmutzer verantwortlich: China, weil der Bauboom zurückgeht und die Kohlekraft reduziert wird. In den USA drängen billiges Öl und Gas die CO2-intensivere Kohle aus dem Markt. In der EU gehen die Emissionen hier langfristig zurück. Nur in Indien, Nummer vier der Verschmutzer, wächst der CO2-Ausstoß noch.
Grund zu großem Jubel ist der Bericht trotzdem nicht, warnen die Forscher. Auch das geringe Wachstum „weicht immer noch vom Weg ab, den Klimawandel auf 2 Grad zu begrenzen“, sagte Sabine Fuss vom deutschen Mercator Institut on Global Commons and Climate Change (MCC), das mit Cicero und dem Institut IIASA aus Österreich das jährliche Kohlenstoff-Budget errechnet. Für echten Klimaschutz „müssten die Emissionen so schnell sinken, wie sie früher gestiegen sind, etwa um 2,3 Prozent jährlich“, so Fuss.
Für die Politiker, die in diesen Tagen auf der Konferenz eintrudeln, um die Details des Klimaabkommens von Paris zu verhandeln, sind die Zahlen eine Ermutigung aus der realen Welt. Schon im Laufe des Jahres hatten die unerwartet schnelle Ratifizierung „von Paris“ und kleine Fortschritte bei anderen Klimagasen, dem Flugverkehr und der Schifffahrt für Hoffnung gesorgt. Die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten vor einer Woche wirkte dann allerdings wie eine kalte Dusche, weil Trump angekündigt hat, aus dem Klimaschutz auszusteigen.
Und auch aktuelle Zahlen der UN-Umweltorganisation Unep tragen nicht zur Feierlaune bei. Demnach verfehlt die Welt bei dem jetzigen Trend den Pfad zum 2-Grad-Ziel bis 2030 um ganze 14 Milliarden Tonnen CO2 – so viel, wie China und die USA zusammen in einem Jahr ausstoßen. Und weil andere Treibhausgase etwa aus der Landwirtschaft noch steigen, beziffert die Unep den gesamten Ausstoß von Klimagasen auf etwa 53 Milliarden Tonnen im Jahr – und sieht dabei einen weiteren „stetigen Anstieg“.
Eine klare Ansage, wie die Emissionsziele aus dem Paris-Abkommen in dieser Lage erfüllt werden könnten, kam gestern von der Denkfabrik Climate Analytics. Für die kostengünstigste Variante „müssen die reichen Länder die Verbrennung von Kohle bis 2030 einstellen“, ist das Fazit einer Studie, die am Montag auf der Konferenz präsentiert wurde. China muss demnach „bis 2040 aus der Kohle aussteigen und die restlichen Länder bis 2050“. Wenn das nicht geschehe, würde die Welt sehr abhängig von umstrittenen und unerprobten Verfahren der „negativen Emissionen“, mit denen CO2 aus der Atmosphäre entfernt werden soll, also etwa massive Aufforstung oder unterirdische Speicherung.
Für 2 Grad müssten Emissionen so schnell sinken, wie sie früher gestiegen sind
Der „einfachste Weg, das 2- und 1,5-Grad-Ziel von Paris zu erfüllen, ist die Dekarbonisierung des Elektrizitätssektors bis Mitte des Jahrhunderts“, sagte Bill Hare, Chef von Climate Analytics.
Dass dieser Weg auch nicht so einfach ist, betont die Studie selbst. Denn schon die Kohlekraftwerke, die derzeit in Betrieb und im Bau sind, überschreiten nach diesen Rechnungen ihr CO2-Budget um das 2,5fache. Und die etwa tausend weltweit geplanten Kohlekraftwerke zeigten, „dass die Kohle-Emissionen immer noch in die falsche Richtung gehen“.
Da hellte auch die Meldung aus dem fernen Deutschland kaum die Stimmung auf, dass das Bundeskabinett nun endlich den „Klimaschutzplan 2050“ abgesegnet hat. Denn auch ihm fehlt, was Hare von den OECD-Staaten fordert: ein Ausstiegsdatum 2030 für die Kohle.