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Zementierte Macht

Thailand Das Militär nutzt den Tod des Königs und die Trauer um ihn, um die eigene Stellung langfristig zu sichern. Der Kronprinz gilt als Risiko

Foto: Holger Grafen
Nicola Glass

Jahrgang 1967, hat mehr als 13 ­Jahre lang für die taz aus Südost­asien berichtet. Am Standort Bangkok war einer ihrer Schwerpunkte Thailands politische Krise. Ende 2015 kehrte sie als freie Journalistin nach Europa zurück.

von Nicola Glass

Alles schien perfekt eingefädelt – im Falles des Todes von König Bhumibol Adulyadej sollte Kronprinz Maha Vajiralongkorn die Nachfolge als thailändischer Monarch antreten. So hatte es Bhumibol bereits 1972 bestimmt. Und so verkündete es auch Thailands Juntachef und Premierminister Prayuth Chan-ocha am Abend des 13. Oktober, nachdem der Palast den Tod des Monarchen bekannt gegeben hatte. Wenig später aber hieß es, der Thronfolger habe um Aufschub gebeten, um zunächst mit dem Volk zu trauern. Dieses Argument klingt wenig glaubwürdig, denn es ist ein offenes Geheimnis, dass der Kronprinz seinem Vater alles andere als nahestand.

Inmitten der Trauerzeit sorgte diese Ankündigung verständlicherweise für Spekulationen. Umso mehr setzt die aus miteinander rivalisierenden Fraktionen bestehende Armee alles daran, als Machtfaktor und selbsternannte Beschützerin der Monarchie eine reibungslose Nachfolge zu garantieren. Dies ist ein prekäre Aufgabe, da der Kronprinz nicht annähernd die Verehrung genießt, die seinem Vater zuteil wurde. Mehr noch: Lebemann Vajiralongkorn ist sogar in royalistischen Kreisen verhasst.

Putsch mit Königssegen

Einer, der als erbitterter Gegner des Kronprinzen gilt, ist Prem Tinsulanonda, bis vor Kurzem Kronratsvorsitzender und engster Vertrauter des verstorbenen Bhumibol. Da Thailand derzeit ohne König ist, füllt Exgeneral Prem als Regent das vorläufige Vakuum. Der mittlerweile 96-Jährige, der als treibende Kraft hinter dem Putsch 2006 gegen den damaligen Premierminister Thaksin Shinawatra gilt, repräsentiert wohl wie kaum ein Zweiter jenes eng mit dem Palast verbundene Netzwerk aus Militärs, Aristokratie, Technokratie und altem Geldadel, das den Mythos des „politisch neutralen“ und „gottgleichen“ Monarchen kultiviert hat und auf diese Weise nicht nur eigene Machtansprüche und Privilegien schützt, sondern auch Militärputsche in des Königs Namen legitimierte. Zugleich steht Prem für eine Soldatengeneration, die nach dem Staatsstreich 2006 massiv an Einfluss gegenüber einer anderen militärischen Clique eingebüßt hat – den „Tigern des Ostens“.

Kein Wunder, dass sich zwischen den verschiedenen Armeefraktionen, die als überzeugte Royalisten einzig der Hass auf Thaksin und dessen Anhänger eint und die politische Gleichberechtigung als Zumutung empfinden, Risse aufgetan haben. Etliche Beobachter sind davon überzeugt, dass Prayuth und weitere hochrangige Angehörige der jetzigen Junta, die eben jenen Reihen der „Tiger des Ostens“ entstammen, die Regierung unter Thaksins Schwester Yingluck Shinawatra im Mai 2014 vor allem deshalb aus dem Amt geputscht hatten, um nach Bhumibols Tod das Heft in der Hand zu behalten.

Dagegen spricht allerdings die Tatsache, dass das Militär und andere ausgewählte Vertreter der alten Elite die eigentliche Macht hinter dem Thron sind. Der Monarch an sich ist lediglich Symbol eines feudalistischen Systems, aus dem die alteingesessenen Eliten ihre Machtansprüche und Daseinsberechtigung beziehen. Thailands jetzige Machthaber haben sich deswegen mit Vajiralongkorn arrangiert, weil dieser laut Palastgesetz legitimer Thronerbe ist und zugleich von Bhumibol explizit als solcher benannt wurde. Alles andere würde einen Bruch der Tradition bedeuten, auf die sich das militärisch-royalistische Establishment so gern beruft.

Demnach war Prayuths Militärregime bemüht, Vajiralongkorns Image aufzupolieren. Bei einem Massen-Fahrradkorso im August vergangenen Jahres, dem von der Armee initiierten „Bike For Mom“-Event, radelte der Kronprinz mit Prayuth und anderen Vertretern des Kabinetts zu Ehren des Geburtstags der Königin. Ähnlich war es im Dezember 2015 anlässlich des Geburtstags von Bhumibol. Die öffentlichen Auftritte sollten signalisieren, das alte Establishment stehe geeint hinter dem Kronprinzen. Zugleich ist zu befürchten, dass die Militärs, die das seit Jahren missbrauchte Gesetz gegen Majestätsbeleidigung drakonischer denn je einsetzen, noch unerbittlicher gegen Kritiker vorgehen werden: Denn ihnen ist bewusst, dass sich mit dem unpopulären Vajiralongkorn als Monarch der Mythos eines liebenden „Vaters der Nation“ nicht mehr aufrechterhalten lässt.

Ein offener Konflikt innerhalb der alten Eliten wäre für das zerrissene Land verheerend

Prinzessin deutlich beliebter

Darüber, wie diese PR-Szenarien auf Exgeneral Prem gewirkt haben, kann nur spekuliert werden. Er und andere Royalisten hatten jedenfalls deutlich gemacht, dass man den Kronprinzen, dem nicht zuletzt jahrelange Verbindungen zum gestürzten Regierungschef Thaksin nachgesagt wurden, als unwürdig ansehe. Über entsprechend vertrauliche US-Dokumente, die von WikiLeaks veröffentlicht worden waren, hatte Ende 2010 der britische Guardian berichtet. In einem 2015 auf der Webseite „New Mandala“ veröffentlichten Kommentar hieß es zudem, Prem betrachte Vajiralongkorn nicht nur „als Risiko für die Monarchie, sondern auch als existenzielle Bedrohung für den Reichtum, die Macht und die Privilegien der Ultraroyalisten“. Demnach sähen Letztere als Nachfolgerin lieber die angesehene Prinzessin Maha Chakri Sirindhorn. Sollte Vajiralongkorn als „Rama X.“ den Thron besteigen, könnte Prem als Regent vorab dafür sorgen, dass der Kronprinz, der nach Medienberichten am 1. Dezember zum neuen König proklamiert werden soll, in seinen Privilegien beschnitten wird.

Es ist als Schachzug Prayuths zu bewerten, dass dieser – offensichtlich um die Risse innerhalb der Armee zu kitten – kürzlich einen Soldaten zum Armeechef berief, der nicht den „Tigern des Ostens“ angehört. Es ist der Versuch, einem offenen Machtkampf vorzubeugen, um nicht nur die Thronfolge reibungslos über die Bühne bringen zu können, sondern auch, um die Macht des Militärs zu zementieren.

Thailand leidet immer noch unter den Wunden der letzten zehn Jahre, in denen abwechselnd die Gegner und Anhänger Thaksins auf die Straßen gingen, die Armee 2010 die Proteste der Thaksin-Unterstützer blutig niederschlug und die Demokratie wiederholt ausgehöhlt wurde. Käme es nun auch noch zu einem offenen Konflikt innerhalb der alten Eliten, wären die Folgen für das politisch zerrissene Land einmal mehr verheerend.

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