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Sowohl dem HSV als auch dem FC St. Pauli geht’s dreckig. In der Krise zeigt sich: Der HSV ist der interessantere VereinDie Keller-Kicker

Foto: privat

AM RAND

Klaus Irler

Heute gibt’s keine Bundesliga-Spielberichte in der Zeitung, weil am Wochenende Länderspielpause war – der Advent der Profifußballer: Auch die Hamburger Vereine dürfen durchatmen, sich zurücklehnen, sich besinnen, wie es so läuft mit sich und dem Fußballgott. Theoretisch. Praktisch haben der Hamburger SV und der FC St. Pauli für Besinnung keine Zeit. Beide stehen ganz unten: Der HSV auf dem letzten Platz der 1. Liga, der FC St. Pauli auf dem letzten Platz der 2. Liga.

Ganz unten zu stehen ist für einen Verein und seine Fans unerträglich. Aber für einen weniger direkt beteiligten Sportsfreund wie mich ist es ein hoch interessanter Zustand: In der Krise, das wissen alle Küchenpsychologen, offenbaren sich Charaktere. Es zeigt sich, wer man wirklich ist.

Der HSV ist da der deutlich interessantere Club. Das kommt zum einen daher, dass die Fallhöhe beim HSV größer ist: Riesenstadion, Riesenvergangenheit, Riesenkohle, Riesenerwartungen. Zum anderen liegt es an den Anhängern: Beim HSV können die Fans sauer werden, sie verlassen vorzeitig das Stadion, pfeifen und schimpfen. Beim FC St. Pauli wenden sich die Fans niemals ab, applaudieren jedem noch so schlechten Auftritt und halten sich für moralisch überlegen, wenn sie ihrem Club Nibelungentreue schwören.

Beim HSV gab es Fans, die nach der Umwandlung der Fußballabteilung in eine Aktiengesellschaft einen eigenen Club gegründet haben, aus Widerstand gegen den Turbokapitalismus im Fußball. Beim FC St. Pauli glauben die Fans, sie wären schon auf der richtigen Seite und es wäre alles getan, wenn sie „Kein Fußball den Faschisten“ auf die Tribüne pinseln.

Der HSV hat zum Zweck der Krisenbewältigung so viele Leute zu so ungünstigen Zeitpunkten rausgeschmissen, dass er nach der 2:5-Klatsche gegen Dortmund niemanden mehr hatte, den er hätte rausschmeißen können. Übrig blieb nur der Chef, und den rauszuschmeißen, traute sich der Aufsichtsrat dann doch nicht. Also sucht der Chef gerade einen neuen Kollegen für die Leitungsebene – damit es wieder jemanden zum Feuern gibt, wenn es wurstig läuft. Aber schon die Suche läuft wurstig. Der Showdown ist die heutige Aufsichtsratssitzung.

Der FC St. Pauli fing in der Krise auch mit dem Rausschmeißen an, allerdings traf es den Sportdirektor und nicht wie üblich den Trainer. Der Sportdirektor ist derjenige, der in der Liga­pause den Kader zusammenstellt, also keinen kurzfristigen Leistungsschub bewirken kann. Die unbeteiligten Sportsfreunde fragen sich also, was der Rauswurf bringen soll. Aber die Chefs des FC St. Pauli schweigen.

Geheimhaltung auf Leitungsebene kennt der HSV nicht: Dort gibt es immer einen Intriganten, der plaudert. Weil der HSV halt ein shakespearsches Königs-Drama ist und der FC St. Pauli nur Agitprop-Boulevard. Der HSV ist Schauspielhaus, der FC St. Pauli ist Schmidts Tivoli. Der Sportstadt Hamburg fehlt es an nichts.

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