piwik no script img

Verwunderte Wortwechsel

Nachlese Das Kino Krokodil hat zwei Filme über misslingende Kommunikation vom Festival DOK Leipzig mitgebracht

von Carolin Weidner

Zwei Filme sind am 15. November im Kino Krokodil zu sehen und beide versuchen das Unmögliche: Sie wollen an allen Orten gleichzeitig sein. Aber ihnen ist noch mehr gemeinsam.

Beide liefen in den Wettbewerben von DOK Leipzig. „Rodnye – Close Relations“ (20.15 Uhr) von Witalij Manskij im internationalen Wettbewerb. Und „Moschee DE“ (19 Uhr) von Mina Salehpour und Michał Honnens im deutschen. Außerdem handeln beide Filme von misslungener und verhinderter Kommunikation. Und es wird sich gewundert.

In „Rodnye“ gleich zu Beginn. Denn der den eigenen Film kommentierende Regisseur behauptet da, einen solchen nie hätte drehen zu wollen. In „Moschee DE“ wundern sich derweil im Grunde alle übereinander und über die jeweiligen Reaktionen, welche der geplante Neubau einer Moschee in Berlin-Pankow hervorzurufen vermag.

Dabei gehen Salehpour und Honnens mit den Ereignissen ganz anders um als Regisseur Manskij, der sich für seinen Film selbst auf eine Reise begeben hat: Sie stellen einige Schauspieler in ein Studio und lassen sie Texte sprechen.

Es sind Aussagen, die sich aus verschiedenen Protokollen zu dem Moscheestreit ergeben haben. Aus dem Jahr 2006 stammen diese, also zwei Jahre bevor das Gotteshaus der islamischen Ahmadiyya-Gemeinde tatsächlich eröffnet wurde.

So bekommt man es beispielsweise mit einem alternativ angehauchten Geistlichen (Mathias Max Herrmann) zu tun, der sich einerseits libertär über das neue Nachbarschaftsverhältnis mit dem Islam äußert, andererseits doch deutlich kritisch eingefärbte Predigten hält. Über diese echauffiert sich wiederum eine Schwäbin (Johanna Bantzer), die mit ihrer jungen Familie gerade von Prenzlauer Berg nach Pankow gezogen ist, um hier „Wurzeln zu schlagen“.

Natürlich gibt es in „Moschee DE“ auch einen Imam (Sandro Tajouri). Er wurde direkt aus Islamabad, Pakistan, nach Deutschland entsandt.

Und auch einen konvertierten Deutschen (Aljoscha Stadelmann), welcher sich überaus glücklich schätzt, eine so tolle Ehefrau zugeführt bekommen zu haben. Schließlich: ein Spießbürger mit Knicklichtern (Rainer Frank), der sich keinesfalls mit der neuen Situation zu arrangieren gedenkt.

Sie alle sind karikierte Figuren. Kolja Mensing und Robert Thalheim haben sie für ein 2010 in Hannover uraufgeführtes Theaterstück nach echter Vorlage erschaffen. Der Kamera gelingt es nun, einen Dialog zwischen ihnen herzustellen. In teils fidelen Schnitten antwortet die Schwäbin auf den ängstlichen Ostler, entspannt sich zwischen Imam und Pfarrer ein theologisches Gespräch über den Verbleib Jesu Christi (christliche und islamische Positionen unterscheiden sich da in einigen nicht unwichtigen Punkten).

Auch Witalij Manskijs „Rodnye“ entwickelt eine Art von Gesprächsraum

Eine Art Gesprächsraum entsteht auch in „Rodnye“. Über ein Jahr – zwischen Mai 2014 und Mai 2015 – ist Witalij Manskij, ein gebürtiger Ukrainer, der zum Studieren nach Moskau ging und 1991 russischer Staatsbürger wurde, quer durch sein Heimatland gereist. Er besucht Familienmitglieder im frommen Lwiw, wo sein Geburtshaus steht. Zieht weiter nach Odessa, wo die neue Wohnung einiger Verwandter nicht fertig werden will.

In Sewastopol auf der Halbinsel Krim begegnet er einer Tante, die sich über den neuerlichen Anschluss an Russland freut, weswegen ihre Schwester in Lwiw nichts mehr mit ihr zu tun haben möchte. Und sogar ein entfernter Verwandter aus Donbass rückt ins Bild. Hier wohnt Manskij einer Verleihung militärischer Auszeichnungen bei, nicht wenige von ihnen mit der Bemerkung „posthum“ versehen.

Manskij erweist sich in „Rodnye“ als raffinierter Beobachter und Monteur. Wenn er seine Kamera immer wieder auf die Fernsehgeräte der verschiedenen Haushalte richtet, damit etwa russische und ukrainische Neujahrsansprachen einem Vergleich unterzieht oder Wahlclips nach der Flucht Wiktor Janukowitschs zeigt, dann ergeben die verrauschten Bilder ein ganz eigenes Theaterstück.

Manskij verflicht auf diese Weise Regionen und Angehörige miteinander, die im Verlauf des Jahres nicht mehr derselben Nation angehören, die sich entscheiden, die Sprache zu wechseln, die keine gemeinsame Ebene mehr miteinander finden.

DOK Leipzig Nachspiel: Kino Krokodil, Greifenhagener Str. 32, 15. 11., ab 19 Uhr, Programm: www.kino-krokodil.de

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen