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Ein bisschen korrekt gekleidet

Faire Mode Nur 0,1 Prozent der hier verkauften Kleidung wurde nachhaltig produziert. Neue Angebote sorgen für Wachstum

von Christine Berger

Ganz früher ging faire Mode so: Man erlegte einen Auerochsen, schabte und gerbte die Haut und fertigte daraus etwas Tragbares. Später, mit Ackerbau und Viehzucht, ging es dann den Schafen an die Wolle. Die wurde gesponnen und aus dem Garn etwas Passendes gestrickt oder, noch später, gewebt. Das war regional und öko zugleich.

Heute liegt das Selbermachen von Mode wieder voll im Trend. Man nehme Wolle aus ökologischer Produktion, ein Paar Stricknadeln und etwas Zeit – fertig sind Schal und Mütze für den Winter, nachhaltiger geht es kaum. Und sicherlich ist die Do-it-yourself-Welle auch eine Antwort auf die Schattenseiten der Globalisierung mit Billiglöhnen in Fernost und anonymen Produkten, die selten lange halten.

Das Selbstnähen oder -stricken von Kleidung ist allerdings nicht jedermanns Sache. Vor allem ist es viel billiger, im Discounter einzukaufen. Kein Wunder, dass nachhaltige, fair produzierte Mode ein Nischenprodukt führt. Von den 70 Milliarden Euro, die die Deutschen jährlich für Bekleidung ausgeben, fallen gerade einmal 70 Millionen Euro für nachhaltig produzierte Klamotten ab. Das sind 0,1 Prozent. Dennoch geht es bergauf mit den Verkaufszahlen, weil der Markt immer öfter bietet, was die breite Masse auch bereitwillig anziehen möchte.

Über 25 Labels bieten in Deutschland mittlerweile hippe Bio-T-Shirts, Öko-Sweater oder Upcycling-Caps aus alten Kaffeesäcken. Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Was auffällt: Da es immer noch schwierig ist, in Fernost Fairtrade-Kleidung mit Zertifizierung entlang der gesamten Lieferkette produzieren zu lassen, kommt ein erheblicher Teil der nachhaltigen Mode aus Europa, etwa aus Portugal. Der Vorteil: Das ist dann nicht nur nachhaltig im Sinne fairer Löhne und ökologischer Standards, sondern fast auch schon regional, was den CO2-Ausstoß, den die Produktion etwa eines T-Shirts verursacht, mindert.

Eine Reihe von Zertifizierungslabels stellen sicher, dass das gekaufte Bio-Fair-Shirt kein Fake ist. Der Global Organic Textile Standard (GOTS) etwa ist als weltweit führender Standard für die Verarbeitung von Textilien aus biologisch erzeugten Naturfasern anerkannt. Auf hohem Niveau definiert er umwelttechnische Anforderungen entlang der gesamten textilen Produktionskette und fordert gleichzeitig die Einhaltung von Sozialkriterien, das heißt unter anderem: keine Kinderarbeit, existenzsichernde Löhne, Begrenzung der Arbeitszeit.

IVN Best heißt ein Prüfsiegel des Internationalen Verbands der Naturtextilwirtschaft, der ebenfalls biologisch erzeugte Naturfasern zertifiziert. Bei Anbau und Verarbeitung müssen Sozialstandards eingehalten und existenzsichernde Löhne gezahlt werden. In Deutschland gibt es zudem seit 2008 Kleidung mit Fairtrade-Siegel: Bauern erhalten einen Mindestpreis für ihre Baumwolle. Sie wird ohne bestimmte Pestizide hergestellt unter menschenwürdigen Arbeitsbedingungen weiterverarbeitet.

Was das genau bedeutet, das erklärt seit 2016 der neue Fairtrade-Textilstandard. Er ist der erste seiner Art, der die gesamte Textillieferkette umfasst. Das zusätzliche Programm soll die Fabriken unterstützen, sich sozial- und ökologisch konkret zu verbessern. Derzeit sind allerdings noch keine Textilien auf dem Markt, die dem neuen Fairtrade-Standard entsprechen. Und das wird wohl auch noch eine Weile dauern, denn die Umstellungs- und Zertifizierungsprozesse in den Fabriken brauchen Zeit.

Statt aus Fernost kommt ein ­erheblicher Teil der nachhaltigen Mode aus Europa

Bei der Fair Wear Foundation (FWF) steht die Einhaltung von Sozialstandards (keine Zwangs- und Kinderarbeit, existenzsichernder Lohn, begrenzte Arbeitszeit) in der Textilproduktion im Mittelpunkt, ökologische Kriterien und die Herstellungsbedingungen der Rohstoffe sind zweitrangig.

Diese und noch weitere Label bemühen sich darum, den Arbeitsmarkt in den produzierenden Ländern sozialer zu gestalten. Doch solange nicht große Kleidungshersteller ihren Einfluss nutzen und Druck auf die Fabrikbesitzer in Fernost machen, die mit Zwangsarbeit und Niedriglöhnen ihre Mitarbeiter ausbeuten, wird sich nicht viel ändern am prozentualen Gefälle zwischen konventionell produzierter Textilmasse und fair gefertigter Mode. Kunden würden es noch nicht einmal am Preis bemerken, wenn die Arbeitskosten für ein 30 Euro teures T-Shirts statt regulär 18 Cent bei 50 Cent liegen würden.

Fair und nachhaltig gegenüber der Umwelt verhält sich auch, wer seltener und dafür hochwertiger einkauft – oder im Secondhandladen stöbert. Denn je länger Rock oder Hose getragen werden, desto besser. Und der im Schweiße des Angesichts selbst gestrickte Schal hält vielleicht auch länger, weil man mehr daran hängt – und ihn deshalb nicht so schnell verliert.

Mehr Infos: www.bonsum.de und www.utopia.de

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