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Rettet die Fabelwesen!

Lesung Cornelia Funke las aus ihrem neuen „Drachenreiter“-Roman im großen Sendesaal des RBB.Von Drachen, Koboldmädchen und Fohleneiern. Kinder kamen mit vielen Fragen. Dann gab es Feueralarm

Cornelia Funke kennt sich gut aus mit Kobolden und Texten Foto: Peter Peitsch

von Katharina Granzin

„Wir wissen ja, dass die Erwachsenen zu schüchtern sind“, sagt Cornelia Funke und postiert sich schon einmal erwartungsvoll am vorderen Bühnenrand. „Aber ihr Kinder kriegt das sicher hin.“ Sie meint das Fragenstellen im vollbesetzten großen Sendesaal des RBB an der Masurenallee, wo sie gerade zusammen mit dem Schauspieler Rainer Strecker einige Passagen aus ihrem neuen Buch vorgelesen hat. Es ist nicht irgendein Buch, sondern die Fortsetzung ihres vor neunzehn Jahren erstmals erschienenen Romans „Drachenreiter“, mit über 500.000 verkauften Bänden einer ihrer erfolgreichsten Titel.

Entsprechend groß ist die Erwartung; sicher auch die finanzielle Erwartung von Funkes Verlag, der für diese Buchpremiere seine berühmte Autorin eigens aus Los Angeles – da lebt sie nämlich – hat einfliegen lassen. „Die Feder eines Greifs“, so der Titel von Drachenreiter Zwo, ergänzt das Personal aus Teil 1 um einen ganzen Zoo voller seltener Lebewesen.

Übellaunig noch dazu

Der Junge Ben, der Drache Lung, das Koboldmädchen Schwefelfell und der winzige Homunkulus Fliegenbein müssen das Überleben eines einzigartigen Fabeltiers sichern: Der Pegasus droht auszusterben, seit die Stute des einzigen überlebenden Paars durch einen Schlangenbiss getötet wurde und ihre drei letzten Fohleneier nicht mehr nähren kann. Wenn aber die Eierschalen nicht wachsen können, so müssen die kleinen Pegasi darin sterben.

Nur ein Elixier aus der Feder eines Greifs könnte da Abhilfe schaffen; doch niemand weiß, wo noch Exemplare dieses als sehr übellaunig überlieferten Fabelvogels leben könnten. Bens Ziehvater Barnabas, der sein Leben der Rettung bedrohter Fabeltiere verschrieben hat, vermutet ihn am ehesten in Indonesien. Und so nimmt eine sagenhafte Expedition ihren Anfang …

Und weil Cornelia Funke ihre LeserInnen kennt, behält sie natürlich recht: Die Kinder – also jene Leute im Alter zwischen fünf und dreizehn Jahren, die ungefähr die eine Hälfte des Publikums ausmachen, dessen andere Hälfte aus Menschen über vierzig, also Eltern, besteht – sind absolut nicht schüchtern. Sofort bilden sich vor den vier Saalmikrofonen kleine Warteschlangen mit Fragewilligen. Manche haben sogar Notizbücher dabei, in denen ihre Fragen notiert sind.

Sachbücher bevorzugt

Diese Fragestunde ist ganz offensichtlich ein Teil der Veranstaltung, der nicht von vornherein geplant war. Tatsächlich findet sich nämlich in der Technik niemand, der weiß, wie im oberen Teil des Saales das Licht anginge. Die Kinder dort müssen also ihre Fragen im Dunkeln stellen. Die Mikrofone dagegen funktionieren einwandfrei. Aber schließlich ist das hier ja auch das Haus des Rundfunks, da geht’s nicht ums Sehen, sondern ums Hören. Und hören lassen die Kinderfragen sich wirklich.

Das reicht von „Gibt es manche Tiere aus deinem Buch auch in echt?“ (Oh ja! versichert die Autorin, gerade das sei ihr sehr wichtig gewesen) über veritable Spezialistenfragen wie „Haben die Kobolde in diesem Buch etwas mit den Kobolden in ‚Kein Keks für Kobolde‘ zu tun?“ (auch hier ist die Anwort der Autorin: Ja. Es handele sich aber um eine deutsche Kobold-Abart) bis hin zu erstaunlich vielen Fragen, die den künstlerischen Schaffensprozess betreffen. Dabei ist auffällig, wie viele Kinder das Wort „Inspiration“ kennen.

Das Schönste aber ist: Man hat das Gefühl, dass ihr das alles hier wirklich Spaß macht

Wie lange sie für dieses Buch gebraucht habe, will ein Junge wissen, und ein anderer fragt, ob sie auch Bücher von anderen Autoren lese. Diese Antwort ist sehr interessant, denn Cornelia Funke bekennt, dass das zwar vorkomme, sie allerdings meistens nur Sachbücher lese, weil sie befürchte, sonst ihre eigene Erzählstimme zu verlieren.

Mitten in ihre Erklärung hinein, warum das Buch teilweise in Norwegen spielt, gibt es Feueralarm, und alle müssen sich zügig ins Freie begeben, wo sich binnen Kurzem drei Löschzüge aufbauen, die aber bald unverrichteter Dinge wieder abziehen. Zum Glück nur Fehlalarm. Später zeigt die Abendschau in Großaufnahme einen kleinen Jungen, der im bis fast bis zum Boden reichenden Sweatshirt seines Papis vor dem Haus des Rundfunks friert. Es war nicht Zeit genug für alle, ihre Sachen von der Garderobe zu holen.

Nach zwanzig Minuten können alle wieder in den Saal hinein. Es dürfen, noch immer aus der Dunkelheit des Saales, letzte Fragen gestellt werden, und dann lesen Funke und Strecker noch eine Runde vor.

Es ist ein schöner Dialog, denn nicht nur Rainer Strecker, der Vögel-, Kobold- und Affenstimmen überaus versiert markiert, ist ein absoluter Leseprofi, sondern auch die Autorin weiß ihre Lesestimme sehr gekonnt einzusetzen. Das Schönste aber ist: Man hat das Gefühl, dass ihr das alles hier wirklich Spaß macht.

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