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Press-SchlagLatte in Lotte

FERNSEHSPORTWarum Fußballgucken im Pay-TV auch nicht wirklich glücklich macht

Tor in Hamburg“, „Tor in München“, „Tor in Hamburg“, „Tor in Hamburg“: Es war viel los bei fünf Nachmittagsspielen am Samstag, Aubameyangs Stakkato-Glückseligkeit inklusive. Sky-Spieltagskonferenz am eigenen Rechner. Von Platz zu Platz, live. Eine neue Welt für mich.

Sky war immer bäh. Altglotze und Netz reichen doch. Sie sind voll mit Sport, genauer mit seinem zeitgenössischen Fastsynonym-Fußball. Selbst Drittligaspiele werden jeden Samstag live in den Dritten zelebriert und unter der Woche Regionalligaspiele bei Sport1. Warum noch einen Bezahlsender abonnieren? Noch mehr Technik ins Haus, und ununterbrochen Fußball, Fußball. Dessen Reiz besteht ja bekanntlich in der nagenden Angst, etwas zu verpassen. Nicht mit mir! Bei wirklich wichtigen Matches reicht die Kneipe als nette Abwechslung.

Ich schlage zu!

Dann kam Golfers Ryder Cup. Ein Muss. Zuletzt hatte ich auf halbseidenen Adressen im Netz nach qualitativ mäßigen, gekaperten Übertragungen gesucht (und wusste nie, was die gern russischen Anbieter mit der IP-Adresse machen, ob Trojaner schon die Zähne fletschen). Jetzt aber bot Sky nach Jahren wieder den Kurzzeitzugriff im Netz an („sky-ticket“). Der Tag für 4,99 Euro, oder – ein Schnapp! – gleich der ganze Monat für 14,99. Sport komplett. Ich schlage zu.

Sky hat große Vorteile. Zum Beispiel fehlt Oliver Kahn. Es gibt keinen Steffen Simon, keinen Beckmann, vor allem keinen Gerd-Ichbinimmersolustig- Delling und keine Hetzdebatten um Claudia Neumann (Sky ist im Grunde Männersache). Stattdessen: noch größere Großrunden von Experten, die sich gegenseitig redundant bestätigen und zunicken. Der ewige Loddamadäus immer mittenmang, oft auch die Exschiedsrichter Merk oder am Samstag Gagelmann am Telefon, die jeden wichtigen Pfiff kommentieren müssen (meist lobend zustimmend). Sprachlich geht es routiniert nüchtern zu, aber auch mit Verknotungen, wie am Samstag in Ingolstadt: „Da fehlt die Bindung zum eigenen Spiel.“

Reden, reden, zureden, zerreden. Barça–Man City lief nur mit Stadion-Atmo, ohne Reportergequassel, eine charmante Wohltat. Messi braucht keine Wörter um sich. Mal Kloppo live!? Geht nicht, die Premiere League fehlt neuerdings. Die Champions-League-Konferenzschaltung reicht einmal im Leben. Beim Umschalten jedes mal die identische Banden-Kulisse – entlarvend wie gleich alles aussieht. Verdaddelter Abend. Was habe ich im richtigen Leben womöglich verpasst?

Highlight war die Konferenz im DFB-Pokal. Auf gesplittetem Screen gab es gleichzeitig ein dreifaches Elfmeterschießen in Lotte, Würz- und Freiburg. Da wurde Fußball zum würdigen Gaga-Dadaismus.

Alle brüllen gleichzeitig

Alle Reporter brüllten gleichzeitig: Tor, gehalten, jetzt muss der Sowieso aber treffen, sonst …, und Latte in Lotte, wenn der jetzt verschießt, und Tor, daneben, wieder gehalten und da und dort. Bald wusste man nicht mehr, wer gegen wen gerade dran war oder schon weitergekommen. Man guckt wirklich mehr. Der Glückseligkeit kommt man nicht näher. Ich freue mich schon auf genüssliches Verpassen ab Dezember. Kein Tor in Hamburg gibt’s auch live im Radio. Bernd Müllender

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