sachen zu verschenken, ist gar nicht so einfach in dänemark. das beginnt damit, das wort für „umsonst“ zu finden. aber das geben braucht durchaus nicht einseitig zu sein
: Großzügigkeit mal so – mal so

Foto: privat

MØen

von rebecca clare sanger

Schwere Lastwagen mit langen Führerhäusern sehen aus wie dicke Zirkusdirektoren mit Schnauzbart und benehmen sich auch so. Mit ausladenden Gesten fahren sie Berge von Zuckerrüben die engen Landstraßen entlang. Ich kann sie nicht überholen, muss mir den Jammer mitansehen.

Obgleich nun der Winter kommt, versuchen meine Nachbarn immer noch, am Straßenrand eine Krone aus jemandem herauszuquetschen: „Äpfel, 50 Öre pro Stück“, „Straßenverkauf“, „Scheunenverkauf“, „Privat-Flohmarkt“ – und alte Marmeladengläser stehen entweder zum Verkauf oder als Empfangsbehälter für die locker sitzenden Kronen am Wegesrand. Welche eigentlich.

Nur einmal in einer reichen Gemeinde auf der anderen Seite des Landes stand vor einer üppigen Villa ein kleiner Kasten mit Falläpfeln vor dem goldenen Gartentor. „Bitte bedient euch!“, stand da, und mein Herz hatte einen Sprung getan und sich an die Vororte Hamburgs meiner Jugend erinnert.

Aber erst seitdem unser neuer Nachbar seine Trödelbude vor unserer Nase aufgemacht hat, wacker an Wochenenden Ramsch zu grenzwertigen Preisen auf den Schotter stellt, hat sich der Wunsch in mir gefestigt: „Wir stellen am Wochenende den Schrank, den wir nicht mehr brauchen, und alle aussortierten Kindersachen an die Straße. Und zwar umsonst!“ Die ganze Woche lang erzähle ich meinem Mann, wann immer wir im Auto sitzen, hinter unüberholbaren Rübenlastern eingezwängt, von den Augen der Nachbarn, die ich mir gerne vorstellen möchte. Ich feile an dem dreisprachigen Schild, welches ich aufzustellen gedenke. „Zu verschenken! Please help yourself ...“ Bloß die dänische sprachliche Formulierung für dieses Konzept will und will mir nicht einfallen.

Den Hochmut und die Selbstgerechtigkeit, mit der ich meinen gedanklichen Großmut begleite, erwähne ich meinem Mann gegenüber nicht. Und mein Mann hat sich offenbar die Woche über mehr auf den Verkehr konzentriert als auf die unerträglichen Flohmärkte am Straßenrand und auf mich. Denn als ich am Samstag vom Einkauf zurückkomme, steht am Schrank vor unserem Haus das allerschlimmste, das ich mir vorstellen kann: „Schrank plus Inhalt: 50 Kronen.“

Weder Gewinn noch Geste ist mir nun gegönnt. Wir sind nicht besser als die anderen. Und auch meinem dänischen Mann fehlt das dänische Wort für „umsonst“.

Und während der neue Nachbar noch gewinnheischend auf unsere Straßenseite wechselt, um den Schrank in Augenschein zu nehmen, und während ich denke, dass ja gar keiner das Monstrum ohne Ladefläche überhaupt mitnehmen kann, klopft es ganz unverhofft am Fenster.

„Klar dürft ihr gucken,“ komme ich auf die Straße herausgelaufen. „Das ist genau das, was wir brauchen“, sagen die Damen in Latzhosen. Der Transporter mit dem Ehemann steht zum Einladen bereit. „Und vergesst das mit den 50 Kronen,“ sage ich und zähle sekundenschnell das Geld, welches wir für die abgelegten Kinderklamotten in den Zweite-Hand-Läden gelassen haben. „Nein, wirklich, was willst du für ihn haben?“, fragt sie mich, und ich sage: „20 Kronen, mein Mann hat, scheint‘s, die Haustür fürs Rausschleppen abmontieren müssen.“

„So“, sagt sie und drückt mir ’nen Hunderter (13 Euro) in die Hand. Und ich freue mich, denn nun habe ich keinen Ehekrach und die Kinderklamotten hab ich auch wieder raus. „Und ihr freut euch über den Schrank?“, frage ich. „Klar, und zu dem Preis ist er doch auch wie geschenkt“, sagt die Frau und klopft mir auf die Schulter.

Nur ihr Mann grummelt. „Zu dem Preis“, sagt er. „Zu dem Preis. 50 Kronen standen dran,“ sagt er beim Einladen. Die Frauen und ich lachen.

Kurz fühlen wir uns großzügig und fruchtbar, während den Männern beim Schleppen die Vision abhanden gekommen sein muss.