: Editorial
Bis heute stapeln sich die Akten aus 30 Jahren nach Themen sortiert in den Hängeschränken der Bremer taz-Redaktion: „Stadtentwicklungskonflikte“, „Stasi“, „Rennbahn“, „JVA“. Der Weg vieler BremerInnen wurde von Berichten der lokalen taz kritisch begleitet: Engagierte in Bürgerinitiativen, BesetzerInnen, PolitikerInnen. Linke wie Rechte.
Junge RedakteurInnen bekommen nach offiziellen Interviewterminen schon mal einen Gruß an die alten KollegInnen in die Redaktion mit: Denn manch eineR, der im lokalen Politikbetrieb aufgestiegen ist, saß einst sogar mal in der taz.bremen mit am Schreibtisch.
Was keineswegs bedeutet, dass kritische Berichte und bissige Kommentare der taz dadurch beliebter würden. Wer heute in der Bremer Lokalredaktion anfängt, erlebt, dass manche Interviewanfrage überdurchschnittlich schmallippig beantwortet oder gleich ganz zurückgewiesen wird. „Die taz? Tut…tut…tut.“ Aufgelegt.
Kurz gesagt: Die taz-Lokalredaktion hat in Bremen Geschichte – aber ist längst nicht Vergangenheit.
Am 2. Oktober 1986 ging es los mit der täglichen Bremer taz. Vorher hatte ein Kreis aus EnthusiastInnen jeden Freitag bereits vier Lokalseiten am Küchentisch von taz-Redakteur Klaus Wolschner produziert. Dass eben jener Klaus Wolschner irgendwann mit einem Bündel Geldscheine zwecks Gründung der taz.bremen nach Berlin reiste, ist ein Gerücht. Dass die taz in Bremen allerdings nur durch GeldgeberInnen und UnterstützerInnen möglich wurde, Jahre, bevor das Genossenschaftsmodell die Zukunft der gesamten taz sichern sollte, ist hingegen wahr.
Mit den Jahren ist aus vier Seiten eine geworden, die ausschließlich für Bremer Themen gedacht ist. Aber nach der Zusammenlegung mit der Hamburger Lokalredaktion finden sich Bremer Themen eben genauso auf den Regionalseiten der taz.nord – auch, wenn einige LeserInnen wie RedakteurInnen die taz.nord-Konstruktion sogar nach zehn Jahren nur mit einem weinenden Auge verkraften.
Wichtiger ist: Es gibt sie immer noch, die lokale taz-Redaktion in Bremen. Und das seit 30 Jahren. Nicht weniger frech, nicht weniger enthusiastisch, aber immer noch ein bisschen chaotisch.
Anlässlich dieses Jubiläums haben wir uns umgeschaut und wollten gleichzeitig nach vorne blicken: Was kann heute eine Lokalredaktion der taz noch bewirken? Einiges, würden wir antworten: Etwa die Spedition Kühne und Nagel unter Druck setzen, ihre NS-Vergangenheit aufzuarbeiten. Neonazis-Strukturen aufdecken, Behörden-Versagen anprangern. Wir haben Erinnerungen gesammelt, Vergessenes und Aufschlussreiches über drei Jahrzehnte taz in Bremen. Wir klären auf, wie es losging und fragen, was Zeitungen auf Papier überhaupt stoppen kann. Viel Spaß!
30 Jahre taz.bremen! Das feiern wir: am 3. Dezember. Achten Sie auf weitere Infos.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen